„Grüne Wähler bei uns auf der sicheren Seite“

Die Spitzenkandidatin der hessischen SPD, Andrea Ypsilanti, will anderen linken Parteien Stimmen wegnehmen, um bei der Landtagswahl im Januar 2008 gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch zu gewinnen

taz: Frau Ypsilanti, Sie betonen gern, wie links Sie sind. Lassen sich damit Wahlen gewinnen?

Andrea Ypsilanti: Ich mache mein Linkssein an ganz konkreten Positionen fest. Ich trete etwa für eine gerechte Bildungspolitik ein. Alle Kinder sollen gute Chance auf Bildung und Weiterbildung haben, nicht nur die Kinder der bildungsnahen Schichten und der Gutverdienenden. Wir dürfen kein Kind zurücklassen. Wenn das links ist, dann bin ich links. Und wenn eine Familienpolitik links ist, die es Eltern ermöglicht, zu arbeiten und gleichzeitig Kinder vernünftig großzuziehen, dann bin ich links. Meine Programmatik reicht aber bis in die Mitte unserer Gesellschaft.

In Berlin regiert Ihre Partei gemeinsam mit der Union, von Linkssein ist dort keine Rede. Wollen Sie sich gegen den eigenen Bundesvorsitzenden Kurt Beck profilieren?

Sollte das sozialdemokratische Profil Schaden nehmen, werde ich laut darauf aufmerksam machen. Wir müssen immer klipp und klar sagen, auf wessen Seite wir stehen: nämlich bei den Lohnabhängigen und ihren Familien. Aber ich werde hier in Hessen ganz bestimmt keinen Landtagswahlkampf gegen die Politik der großen Koalition inszenieren. Es geht gegen Sozialabbau hier in Hessen. Gegen die rückwärtsgewandte Atomenergiepolitik der CDU. Und um eine Schul- und Hochschulpolitik der gleichen Chancen für alle. Ich freue mich auf den Wahlkampf gegen Koch.

Koch will einen Lagerwahlkampf initiieren. Die FDP macht mit. Wie sieht Ihr Lager aus, nachdem die Grünen erklärt haben, keinen Lagerwahlkampf führen zu wollen?

Ich mache einen Wahlkampf nur für die Sozialdemokratie. Wir müssen so stark wie möglich werden; dann können wir uns unseren Koalitionspartner aussuchen. Historisch betrachtet, wären die Grünen der natürliche Partner. Sie haben sich aber in den letzten Jahren gewandelt. Wenn wir uns anschauen, mit wem die Grünen in den Kommunen zusammen regieren, kann ich mir gut vorstellen, dass potenzielle grüne Wähler bei der Landtagswahl lieber SPD wählen. Nur so sind sie auf der sicheren Seite. Mit einem eindeutig sozialdemokratischen Profil werden wir auch Nichtwähler und zur Linkspartei abgewanderte Wähler wieder für die SPD gewinnen.

Die SPD koaliert in Bund und Ländern mit den unterschiedlichsten Parteien. Warum soll die SPD das dürfen, die Grünen aber nicht?

In unserem parlamentarischen System sind Koalitionen in der Regel das Ergebnis von Wahlergebnissen, aber eben nicht immer – siehe Frankfurt am Main. Mit Blick auf meine Heimatstadt kann ich einen sozialen und ökologischen Reformkurs unter Schwarz-Grün nicht erkennen!

Von Ihrer eigenen Partei wurden Sie nur äußerst knapp zur Herausforderin von Koch gekürt. Wie wollen Sie ohne volle Rückendeckung durch die hessische SPD die Wahl gewinnen?

Alle wissen, dass wir nur gemeinsam gewinnen können. Für Jürgen Walter und mich stand immer fest: Wer es wird, der ist es. Und der bekommt die volle Unterstützung der ganzen Partei. Von Spaltung redet nur die CDU.

In einer aktuellen Umfrage ist Ihre Partei nach Ihrer Kür zur Herausforderin sogar noch einmal um 3 Prozentpunkte auf 26 Prozent abgesackt.

Forsa hat mit dem methodisch gleichen, aber zweifelhaften Vorgehen kurz vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz ein Kopf-an-Kopf-Rennen unterstellt. Die Abweichung vom tatsächlichen Wahlergebnis ist bekannt.

Auch in NRW hat die SPD jetzt eine weibliche Landesvorsitzende. Dürfen die Frauen bei Ihnen nur ran, wenn es die Männer nicht mehr bringen?

Tatsächlich haben Frauen in schwierigen Phasen bessere Aufstiegschancen, das gilt auch in Unternehmen. Aber ich bin nicht als Retterin gewählt worden, sondern wegen meiner Programmatik und meines Profils.INTERVIEW:
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT