: Gabriel gegen Oettinger
ENERGIESPAREN Streit über verbindliches EU-Ziel. Interne Studie: Vorgabe für 2020 wird verfehlt. EU-Kommissar Oettinger auf Konfrontationskurs
BRÜSSEL taz | Zwischen der Bundesregierung und dem deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger bahnt sich massiver Streit an. Die SPD-geführten Wirtschafts- und Umweltministerien in Berlin fordern, die EU-Kommission solle für alle EU-Länder verbindliche Energiesparziele für das Jahr 2030 festlegen. CDU-Mann Oettinger, der in Brüssel für die Energiepolitik zuständig ist, sträubt sich jedoch. Seine sture Haltung könnte Oettingers „Verlängerung“ gefährden.
Im Herbst wird eine neue EU-Kommission ernannt. Die SPD fordert, ihrem bei der Europawahl unterlegenen Spitzenkandidaten Martin Schulz einen hochrangigen Kommissarsposten zu geben. Die CDU lehnt dies allerdings ab; sie will weiter einen Christdemokraten in Brüssel behalten. Ob dies Oettinger sein wird, ist jedoch offen. Kanzlerin Angela Merkel hält sich bedeckt. In einem Brief, der der taz vorliegt, setzen die SPD-Minister Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks die EU-Kommission unter Druck. Eine ambitionierte Politik zur Energieeffizienz diene nicht nur dem Klimaschutz, sondern stärke auch die europäische Wettbewerbsfähigkeit und werde für mehr Arbeitsplätze und Wachstum sorgen, heißt es in dem Schreiben.
„Wir dürfen diese Gelegenheit nicht verpassen“, betonen die Minister. Oettinger solle noch vor der Sommerpause im Juli einen Vorschlag vorlegen. Neben Deutschland unterstützen auch Dänemark, Belgien, Griechenland, Irland, Luxemburg und Portugal den Vorstoß. Die sieben Staaten halten es angesichts der Krise in der Ukraine für notwendig, die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten zu reduzieren – und Energie zu sparen.
Für ein verbindliches Ziel spricht aus Sicht der Unterzeichner auch, dass die EU ihre selbstgesetzte Sparvorgabe für 2020 verfehlen dürfte. Dies geht aus einer internen Studie der EU-Kommission hervor, die gestern in Brüssel geleakt wurde. Oettinger müsste diese Studie eigentlich kennen; sie kommt aus seinem eigenen H1aus. Dennoch sprach er sich nochmals gegen für alle EU-Staaten einheitliche und verbindliche Vorgaben aus. Bisher plant Brüssel nur „indikative“ Ziele, die die EU-Länder dann individuell nach eigenen Wünschen umsetzen können.
Ein vom Europaparlament gefordertes Einsparziel von 40 Prozent für alle 28 EU-Länder sei völlig unrealistisch, heißt es in der EU-Kommission. ERIC BONSE
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