: Es kommt auf die Größe an
BUCHVERLAGE Eichborn und Aufbau wollen zusammengehen – um überleben zu können. Ob das aus verlegerischer Sicht funktioniert?
„Letter of Intent“ heißt das Ding im Wirtschaftssprech, kurz LOI. Auf gut Deutsch kann man auch Absichtserklärung dazu sagen. In der Wikipedia steht, dass sie das Interesse eines Verhandlungspartners am Abschluss eines Vertrages ausdrückt. Weiter heißt es in dem Wikipedia-Eintrag: „Sie hat keine rechtliche Bindungswirkung.“ Aber, kann man hinzufügen, ohne Gesichtsverlust kommt kein Unterzeichner mehr aus ihr heraus.
Einen solchen LOI haben Ludwig Fresenius und Matthias Koch unterschrieben. Das bestätigten beide Unternehmer am Freitag auf einer Pressekonferenz. Fresenius gehören etwas mehr als 75 Prozent der Aktien des Frankfurter Eichborn-Verlags, Koch ist Besitzer des Berliner Aufbau-Verlags. Damit ist klar, dass Aufbau und Eichborn in absehbarer Zeit ein Verlag werden, in Berlin, unter dem Dach des gerade im Entstehen begriffenen Aufbau-Hauses, aber mit eigenständigen Programmen und auch jeweils eigenen Programmverantwortlichen. So die Absichtserklärung.
Es kommt auf die Größe an. Das ist das Kalkül, das hinter der Absicht steht. Vor allem Ludwig Fresenius, Familienunternehmer von altem Schrot und Korn, kann offen reden. Aufbau macht etwa 14 Millionen Euro Umsatz, Eichborn 11 Millionen. Das ist für Fresenius jeweils „subkritisch“, also zu klein, um auf einem auf Buchhandelsketten ausgerichteten Markt bestehen zu können. Fresenius hätte seine Aktien auch an einen Verlagskonzern verkaufen können, dann wären von Eichborn nur noch der Name und ein paar Lektoratsstellen übrig geblieben, wie das bereits bei vielen Traditionsverlagen geschah ( etwa Luchterhand oder DVA). Ein Zusammengehen kleinerer Häuser, um gemeinsam die kritische Masse zu erreichen, erschien Fresenius und Koch als die interessantere Idee.
Ob das Kalkül aufgeht? Das hängt, wie es halt so ist, an den Details, und die sind mehr als unklar. Wie Eichborn-Vorstand Stephan Gallenkamp betonte, hält das Aktienrecht noch „Fallen“ bereit; er muss auch die Interessen der fast 25 Prozent Eichborn-Streubesitz vertreten. Außerdem gibt es unterschiedliche Unternehmenskulturen zu berücksichtigen. Auf der Pressekonferenz bemühten sich alle Beteiligten, den Vorgang als Zusammengehen der Verlage darzustellen und nicht so, dass ein Verlag den anderen schluckt. Klar ist nach zwei Jahren Gesprächen hinter den Kulissen bislang nur: Beim Vertrieb wollen Aufbau und Eichborn mit der Kooperation anfangen.
Richtig interessant wird dann die Programmgestaltung. Damit sie Sinn ergibt, muss sie bei aller Eigenständigkeit irgendwie aufeinander abgestimmt sein. Aber beide Verlage kommen aus ganz unterschiedlichen Traditionen. Aufbau war Großverlag der DDR, dann kam der Möchtegernverleger Bernd F. Lunkewitz, dann ein Konkurs, dann der Neuanfang mit Koch. Eichborn dagegen kommt aus der intellektuellen Spontiszene West, erwarb sich Meriten mit der Anderen Bibliothek und legt seit Jahren einen Sinkflug hin. Dass hier zusammenwachsen soll, was von sich aus zusammengehört, kann man beim besten Willen nicht sagen. Nach den unternehmerischen sind nun also verlegerische Ideen nötig; denn nicht nur auf die unternehmerische, auch auf verlegerische Größe kommt es an. Absichtserklärungen allein verkaufen sich in Buchhandlungen nicht. DIRK KNIPPHALS
Meinung + Diskussion SEITE 9