: Innovation heißt jetzt Arbeitsplatz
Regionalmanager im Norden müssen flexibel sein. Für Innovation und Nachhaltigkeit gibt es keine Millionen mehr von der EU. Ab 2007 fördert sie Wirtschaft und Beschäftigung in strukturschwachen Gebieten. Also schaffen Reitwege plötzlich Arbeit
VON ESTHER GEISSLINGER
Ab Januar heißt das Zauberwort „Arbeitsplätze“. Bislang heißt es „innovativ“. Das Zauberwort ist wichtig: Es schließt den Tresor auf, hinter dem die Brüsseler Millionen liegen. „Ich habe kein Problem damit“, sagt Cornelia Saure, Regionalmanagerin der Region Eider-Treene-Sorge (ETS) im nördlichen Schleswig-Holstein. „Zurzeit schreibe ich ,innovativ‘ in die Anträge. Wenn etwas nicht innovativ ist, dann wird es halt nicht gefördert.“ Und das sei ja gut: „Wir verwalten öffentliche Gelder, die sollen schon einen Mehrwert schaffen.“
Saure hat viele Konkurrenten. Sie sitzen in Schleswig-Holstein, im ganzen Bundesgebiet, in sämtlichen EU-Ländern, und alle wollen ein paar Millionen aus den großen Töpfen. Die Brüsseler Förderpolitik ist so kompliziert, dass jede Verwaltung, die es sich leisten kann, eigens Leute für Anträge und Projekte einstellt. Im Moment sind alle innovativ. Früher waren sie nachhaltig oder suchten nach Clustern. Alle wollen Gender Mainstreaming und wollen es ab Januar nicht mehr. Denn die Politik wechselt und damit die Zauberformel.
Das geschieht im großen Stil alle sieben Jahre, denn so lange dauert eine Förderperiode der EU. „Da werden die Weichen umgestellt“, sagt Saure. Sie spüre den Paradigmenwechsel schon: Mehr Wirtschaft, mehr Wettbewerb, die Stärken stärken. Also müssen die Wörter geändert werden und das Denken. Cornelia Saure hat es besser als andere. Ihr Vertrag reicht über die Förderperiode hinaus, sie arbeitet für eine Region, die „seit 15 Jahren wächst, und nun ernten wir die Früchte“.
Dabei war die ETS-Region ein Kunstprodukt, geboren aus Not, von Anfang an gesäugt mit Fördermitteln. Ein armer Landstrich zwischen Friedrichstadt, das Holländer vor vier Jahrhunderten aus den nassen Auen heraus trockneten, und dem Mittelzentrum Rendsburg am Nord-Ostsee-Kanal. Feuchte Wiesen an den Ufern der drei Flüsse Eider, Treene und Sorge, viele Orte tragen „Moor“ oder „Deich“ im Namen, einer heißt Ekel, der bekannteste ist Bergenhusen, das Dorf der Störche, die hier in den Niederungen noch immer ausreichend Futter finden. Keine Fabriken, dafür viel Landwirtschaft, die jungen Leute gingen weg, Freizeit fand im Dorfkrug statt, bestenfalls.
Vor 15 Jahren entschied die Landesplanung, die Randgemeinden aus vier Landkreisen zu verschmelzen. Heute zählen 113 Dörfer zur Region, die Einwohnerzahl beträgt rund 100.000, eine Großstadt, verteilt auf dem platten Land. Attraktiv ist die Mitgliedschaft, weil sie Geld verspricht: Eine Region wirbt leichter öffentliche Mittel ein als ein Dorf allein.
Die Förderung summiert sich zu Millionen. Zwischen 2001 und 2006 kamen allein aus dem Leader-Plus-Programm zwei Millionen Euro, die durch weitere Mittel verdoppelt wurden. Früher gab es Geld für alles Mögliche. Dorfgemeinschaftshäuser wurden mit 80 Prozent gefördert, also baute jeder Ort ein Gemeinschaftshaus. „Man hat nicht darüber nachgedacht, dass man anschließend die Kosten für all das tragen muss“, sagt Saure.
Das war vor ihrer Zeit, sie ist erst seit 2004 dabei. „Heute sind die Mittel knapper, man muss sich mehr anstrengen.“ Bisher hat sie Geld für „weiche Faktoren“ besorgt, einen regionalen Radiosender, ein Mädchen-Filmprojekt, einen Naturlehrpfad. Das dürfte sich ab Januar ändern: „Wenn das Geld knapper wird, fallen die Sahnehäubchen zuerst weg: Jugend, Frauen, Kultur“, sagt Saure und fügt schnell hinzu: „Nicht, dass ich das gut finde.“
Ihre Region, die trotz der Fördermillionen zu den armen Gebieten in Schleswig-Holstein zählt, könnte zu den Verlierern der neuen Richtlinien gehören: „Man setzt auf die Metropolregionen, die die anderen mitziehen sollen. Wir sind so weit ab von Hamburg, wer soll uns ziehen?“ Also versucht sie, weiter die „weichen Themen“ zu fördern: „Was hilft ein neues Dorfhaus, wenn die Jugend abwandert?“ Wassertourismus ist wichtig für das Gebiet zwischen den drei Flüssen, im Tourismusgutachten der Landesregierung kommen Paddler aber nicht vor: „Gut, dann muss ich andere Geldquellen suchen“, sagt Saure. „Paradigmenwechsel heißt doch nicht, dass alles über Bord fallen darf.“
Schleswig-Holstein hat ein neues Konzept aufgelegt: „Regionen aktiv“. Das Land wird in Regionen unterteilt, jede erhält 300.000 Euro im Jahr für Projekte, außerdem gibt es Wettbewerbe um weitere Mittel. In den Regionen sollen Arbeitsgruppen entscheiden, was wichtig ist. Auch hier hat Saure einen Vorsprung: Das ETS-Gebiet arbeitet schon nach diesem Modell. Sie glaubt, dass sie viele ihrer Projekte weiter fördern kann – es kommt nur auf die richtigen Zauberworte an. „Zum Beispiel Reitwege. Man kann sagen: Reitwege, was ist daran innovativ? Aber wenn die Region sich erstmals damit beschäftigt, ist es eben hier innovativ.“
Ab Januar heißt die Begründung dann ein wenig anders: Laut einer Studie schaffen Reitwege Arbeitsplätze.