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Archiv-Artikel

Tanz mit dem Teufel

BALLETT Mit „Don Juan“ hat sich das Staatsballett Berlin eine schillernde Figur der europäischen Kultur vorgenommen. Der Choreograf Giorgio Madia deutet sie mit großen symbolischen Bildern aus

Das ist seine Strafe: Don Juan bleibt allein vor einem Spiegel zurück und sieht darin sich und das Publikum

VON AURA CUMITA

Das Ballett „Don Juan“ ist die letzte Premiere des Staatsballetts Berlin unter der Leitung von Vladimir Malakhov, der zum dritten Mal den gebürtigen Mailänder Choreografen Girogio Madia mit einem Stück beauftragt hat. Mit „Don Juan“ hat sich Giorgio Madia Großes vorgenommen. Er entfaltet den Mythos Don Juan auf verschiedenen Libretti als Barocktheater und als Ballett zugleich.

Seine Inszenierung basiert auf der Musik von Christoph Willibald Gluck (1714–1787) und kombiniert in vielen Szenen Pantomime mit Tanz. Zwei Figuren stellt er dabei besonders heraus: den Teufel und Don Juans Diener Zanni.

Nur der Diener ist frei

Don Juan ist verführerisch, selbstsicher und rücksichtslos. Um das zu betonen, stolziert Leonard Jakovina in dieser Rolle über die Bühne. Auch Michael Banzhaf, der den Teufel darstellt, stolziert, aber er wirkt ernsthaft, dunkel und bedrohlich. Der eigentliche Star dieses Stückes, der auch die Begeisterung des Publikums auf sich gezogen hat, ist Don Juans Diener, Zanni. Vladislav Marinov macht mit seinem reichen tänzerischen Vokabular aus Zanni eine der wichtigsten Figuren des Balletts. Zanni stellt die einzige Figur dar, die sich frei von jeglichen sozialen Bindungen bewegt. Er taucht ab und zu mit scherzhaften Tanzelementen auf der Bühne auf. Aber er kann auch ernsthaft oder besorgt wirken. So entstehen die besten tänzerische Momente in dem Pas de deux von Don Juan mit seinem Diener.

Das Ballett beginnt mit der Figur des Teufels, der stets von der in Schwarz gekleideten Geigenvirtuosin Lidia Baich begleitet wird. Ihn macht dieses Ballett zu einer sehr komplexen Figur. Der Teufel ist nicht einfach nur eine dunkle Seite des Protagonisten Don Juan, sondern ihm wird durch wiederholendes Auftauchen eine narrative Stimme verleiht. Und noch wichtiger und paradoxer: Dies wird die Stimme einer moralischen Instanz. Don Juan wird nicht von Gott bestraft, sondern vom Teufel. Das Kreuz, mit dem der Teufel auf der Bühne erscheint, weist auf eine Präsenz des christlichen Gottes, aber der Teufel dreht das Kreuz um. Der Choreograf greift auf die christliche Symbolik zurück, um damit der mächtigen Figur des Teufels entgegenzuwirken.

Ein starkes Element bilden in diesem Ballett das Bühnenbild von Cordelia Matthes und die Kostüme von Bruno Schwengl. Die wurden kontrastierend ausgewählt: Die Farbe Creme, in der vor allem das Volk und Zanni auftreten, steht dem unerbittlichen Schwarz gegenüber, in das Don Juan, der Teufel, aber auch die Frauen, nachdem sie von Don Juan verlassen wurden, gekleidet sind. Die Kostüme des Volkes weisen winzige ironische Markierungen auf: Auf der Rückseite tragen sie rosafarbene Masken, vorne sind kleine Penisse zu sehen.

Donna Anna scheint dem Diener am nächsten zu stehen: Sie wird von Don Juans Freude und Lust am Leben und Lieben angesteckt . Sie ist die Einzige, die ihr farbiges Kostüm behält, während alle anderen verführten Frauen verdunkelt aus der Begegnung mit Don Juan herauskommen.

Die symbolische Bedeutung der Kleidung spitzt sich in einem Bild zu, das Don Juan fester in seinem Begehren charakterisiert. Giorgio Madia lässt Don Juan allein vor einem riesigen silbernen Kleid, das auf einem Bügel aufgehängt ist, kriechen. Don Juan begehrt das Kleid und findet nichts. Was er verliert, ist die Frau.

Eine andere Szene stellt die Macht des Teufels dar. Er kommt von unten auf die Bühne und gebärt in Wehen eine ganze Welt verdunkelter Gestalten, von Unterirdischen. Auch unter diesen findet Don Juan keinen Platz für sich. Er ist ihnen ähnlich, aber er bleibt nicht in dieser Welt. Seine Bestrafung ist später eine andere: Er bleibt allein vor einem Spiegel zurück. Und doch ist Don Juan gar nicht allein, denn indem er in den Spiegel schaut, wendet er dem Publikum den Rücken zu und sieht zugleich das Publikum im Spiegel. Die Zuschauer sind es letztendlich, die ein Urteil über diese schillernde Figur der europäischen Kultur fällen sollen. Und sie lieben ihn, aber noch viel mehr seinen Diener, Zanni.

■  Weitere Termine: 24., 26. und 30. Juni sowie 2. und 6. Juli 2014