: In den Zwängen des Marktes
Mit dem Jahreswechsel wurden in NRW die Fachhochschulen und Universitäten selbstständig. Der Kampf um Forschungsgelder hat bereits vorher begonnen. Die Qualität der Lehre ist bedroht
VON DIRK ECKERT
An den Hochschulen in NRW gilt seit gestern eine neue Leitwährung: Ohne Drittmittel geht gar nichts mehr. Denn ab sofort wird mit dem neuen „Hochschulfreiheitsgesetz“ auch die Finanzierung der Universitäten und Fachhochschulen neu geregelt. Zwanzig Prozent der Gelder – nächstes Jahr 425 Millionen Euro – sollen nach Leistung verteilt werden. Wer viele Absolventen, Promotionen und Drittmittel vorweisen kann, bekommt mehr, die anderen automatisch weniger.
Manche Hochschule zittert bereits. „Das trifft uns hart“, sagt Monika Rögge, Sprecherin der Uni Duisburg-Essen, die als ehemalige Gesamthochschule wenig Forschung hat und deswegen weniger Drittmittel einwerben kann. „Wir werden über 1,4 Millionen Euro, also mehr als die Hälfte der Mittel, verlieren.“ Wie viele Studierende und Professoren eine Hochschule hat, wie groß also der Bedarf ist, spielt künftig keine Rolle mehr.
„Erfolgsorientierung“ heißt das im Haus von Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP). Wie groß der Erfolg ist, das entscheidet sich bei Universitäten zu 50 Prozent nach der Anzahl der Absolventen. Studiendauer und Frauenanteil sollen dabei berücksichtigt werden. Mit 40 Prozent werden die eingeworbenen Drittmitteln gewertet und mit 10 Prozent die Zahl der Promotionen. Bei Fachhochschulen zählen nur die Absolventen (85 Prozent) und die Drittmittel (15 Prozent).
Wer am schlechtesten abschneidet, dem werden Landeszuweisungen abgezogen – maximal 1,5 Prozent. Und auch die Mittel aus dem Innovationsfonds, die die Hochschulen durch Stellenkürzungen erwirtschaften, werden seit dem 1. Januar 2007 neu verteilt. Das zur Erneuerung der Infrastruktur vorgesehene Geld bekommt künftig, wer viele Drittmittel vorweisen kann. Mit 15 Prozent wird aber auch die Zahl der Professorinnen berücksichtig. So soll die Gleichstellung gefördert werden. Die Umsetzung bleibt indes den Hochschulen überlassen. „Wir werden den Hochschulen keine Vorgaben machen“, sagte Pinkwart Mitte Dezember im Wissenschaftsausschuss des Landtages. „Ich baue auf den Wettbewerb.“
Die Hochschulen stellen sich bereits darauf ein, sich verstärkt um Forschungsgelder bemühen zu müssen. Ob diese von der Deutschen Forschungsgemeinschaft kommen oder gleich von der Wirtschaft, ist unwichtig. Drittmittel sind „fast schon einziger relevanter Indikator für Forschungsleistung“, sagte der Rektor der FH Köln, Joachim Metzner, im Wissenschaftsausschuss des Landtages. Und bei den Universitäten sieht es kaum anders aus. „Ohne Drittmittel haben wir nicht die Chance, am Markt weiterzuexistieren“, heißt es bei der Uni Köln ganz offen.
Teilweise schließen sich die Hochschulen daher zusammen. Ende November haben 23 NRW-Unis und Fachhochschulen eine „Innovationsallianz“ ins Leben gerufen. Die Agentur soll sich um den Kontakt zwischen Wirtschaft und Hochschulen kümmern. Dieselbe Aufgabe erledigen auf regionaler Ebene etwa die Patentoffensive Westfalen-Ruhr oder die Transferallianz Aachen.
Die Kooperationsbereitschaft hat aber auch ihre Grenzen. Die Uni Köln beteiligt sich zum Beispiel nicht an der Innovationsallianz. „Man muss nicht überall mitspielen“, so Unisprecher Patrick Honecker lakonisch. In Münster haben Fachhochschule und Universität jeweils ihre eigene „Transferagentur“. „Das ist eine ganz klare Konkurrenzsituation“, sagt Wilhelm Bauhus, der Leiter der Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO) der Uni Münster.
Das Werben um Drittelmittel könnte auf Kosten der Qualität der Lehre gehen. Kölns FH-Rektor Metzner verlangte bereits, Professoren aus der Lehre abzuziehen, damit sie mehr forschen und Drittmittel einwerben können. „Das Hauptproblem ist die hohe Lehrverpflichtung der Professoren“, so Metzner im Wissenschaftsausschuss. Das Hochschulgesetz müsse deswegen so geändert werden, dass die Mitarbeiter ihre Professoren bei der Lehre entlasten können, forderte er.