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Archiv-Artikel

„Gott über die Schulter schauen“

Raumfahrt ist ein Prestige-Thema – für die Nation und für die Menschheit. Bremens EADS-Ingenieure wollen ganz vorne dabei sein bei einem neuen Flug zum Mond. Die Sterne stehen gut dafür in Berlin

Von Klaus Wolschner

Die Bremer Weltraum-Experten von der EADS-Astrium müssen sich über mangelndes Selbstbewusstsein keine Sorgen machen. Für die Ariane-Produktion sind die Auftragsbücher auf fünf Jahre voll, der europäische Beitrag zur Weltraumstation ISS – Columbus – ist abgeliefert, jetzt warten alle darauf, ob „die Amerikaner“, sprich: deren Space Shuttle es schafft, sie Ende 2007 auch „hochzubringen“. Sorgen macht den Managern der EADS, was danach kommt – Weltraumforschung ist eine Planwirtschaft, die zehn Jahre voraus die Weichen stellen muss.

Im Jahre 2013 einen Roboter zum Mond zu schicken, das wäre doch ein Projekt, das die Ingenieurs-Kapazitäten auslastet, findet EADS-Chef Evert Dudok. Kapazitäten in diesem hoch spezialisierten Technologie-Bereich muss man auslasten, denn sonst gehen sie verloren. Zwar waren „die Amerikaner“ schon auf dem Mond, aber das bedeutet keineswegs, dass sie heute einfach so wieder einen derartigen Flug unternehmen könnten. Nicht nur wegen der Sicherheitsbestimmungen – die technischen Fähigkeiten sind inzwischen verloren gegangen. Eine neue Mond-Mission, das wäre technologisch etwas ganz Neues.

Um die erheblichen Kosten zu rechtfertigen, muss Dudok sein Projekt in einem größeren Zusammenhang sehen. Wenn in 500 Jahren Geschichte geschrieben wird, dann gäbe es das Datum mit Kolumbus, erklärt Dudok, und dann die Landung auf dem Mond 1969 – und dann dürfe eben nicht kommen: „Kurze Zeit später verabschiedeten sich die Europäer von der Erkundung des Weltraumes.“ Wer sich nicht verabschieden will, der muss weiter am Ball sein. Für Dudok ist die Raumfahrt eine Menschheitsherausforderung, Dabeisein ist alles.

Die wissenschaftlichen Themen müssen natürlich hinzukommen, und sie kommen hinzu. Für die Mond-Mission gibt es ein astronomisches Projekt. Derzeit gibt es unter wissenschaftlicher Leitung der Holländer Radioteleskope in ganz Europa, die Zeichen aus einer Zeit auffangen, die um 60 Millionen Jahre an den Urknall heranreicht. Mit Teleskopen auf der Rückseite des Mondes könnte man Signale auffangen, die die Erdatmosphäre schluckt und bis 100.000 Jahre an den Urknall herankommen, also praktisch „dem lieben Gott über die Schulter schauen“, formuliert Dudok. Komplizierte wissenschaftliche Thema müssen übersetzt werden in eine Sprache, in der sie als Menschheitsherausforderung wahrnehmbar sind. Die EADS und insbesondere der Standort Bremen wären federführend nicht nur beim Transport, eben mit der Ariane, sondern könnten auch federführend das Landefahrzeug entwickeln.

Auf einer Raumfahrt-Konferenz in Dresden hat sich gezeigt, dass das Bremer Thema inzwischen ein deutsches Thema ist. Walter Döllinger, Direktor für Raumfahrtprogramme bei der Raumfahrtagentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), hat im Anschluss an die Konferenz den Sachstand so erklärt: „Da stellte sich für uns die Frage, wie positionieren wir uns national und in Europa zu den anstehenden Themen Mond und Mars. (…) Jetzt ist die Frage, können wir eine Mission organisieren, bei der wir Deutsche beim Thema Exploration sozusagen ein Stück Identität gewinnen können.“ Italien sei bei der Mars-Exploration weit voranmarschiert, während Deutschland immer noch mit Columbus beschäftigt war, nun müsse Deutschland nachziehen. Es geht um zusätzliche Gelder von 300 Millionen Euro oder mehr, Döllinger sucht Bündnispartner, die Geld haben: „Man kann aus dem All zum einen beobachten, was auf der Erde passiert, das ist zum Beispiel für Out-of-Area-Einsätze wichtig. Man kann zum anderen aber auch beobachten, welche Satellitenoperationen im All laufen. Man kann zum Beispiel GPS-Satelliten beobachten und im Notfall stören oder zerstören. Vor all diesen Hintergründen müssen wir Deutsche einen Fuß in der Tür behalten.“

Der Bremer EADS-Chef Dudok ist Holländer und liebt harmlosere Bilder. „Deutschland kann beim Thema Exploration ein Stück Identität gewinnen. Ich wünsche mir, dass wir in Bremen bei einer solchen Mission ganz vorne dabei sind.“