piwik no script img

Archiv-Artikel

Besetzer wollen oben bleiben

PROTEST Trotz Großeinsatz: In Kreuzberg bleibt eine Schule von Flüchtlingen besetzt. Sie misstrauen Versprechungen des Bezirks. Unterstützer belagern die Bürgermeisterin

Flüchtlinge drohten, vom Dach zu springen, blieben ihre Forderungen unerfüllt

AUS BERLIN A. LANG-LENDORFF, S. ALBERTI, S. BEDNARCZYK, L. ZUCKER

Sie geben nicht auf. Auch am Mittwoch harrte eine Gruppe von Flüchtlingen in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg aus, die Hälfte von ihnen auf dem Dach. Versuche, sie zum Gehen zu bewegen, scheiterten.

Am Dienstag hatte das grün geführte Bezirksamt mit einem Polizeigroßaufgebot begonnen, die seit Ende 2012 von rund 200 Flüchtlingen, Roma-Familien und Obdachlosen besetzte Schule zu räumen. Den Bewohnern wurden Heimplätze und eine Prüfung ihres Aufenthaltsstatus angeboten. Die meisten ließen sich darauf ein. Ein harter Kern aber blieb und forderte ein dauerhaftes Bleiberecht.

Am Vortag hatte die Polizei noch erlaubt, dass Unterstützer Essen, Trinken und Decken in die Schule brachten. Am Mittwoch durfte niemand mehr in das Gebäude. Laut Bezirkssprecher hielten sich noch 20 Personen im Haus und 20 Personen auf dem Dach auf. Ein Unterstützer im Haus schätzte, dass noch rund 80 Leute in der Schule seien.

Die Flüchtlinge drohten, vom Dach zu springen, blieben ihre Forderungen unerfüllt. „Wir bleiben oben. Wir haben keine Angst vor der Polizei“, sagte einer von ihnen. Man wolle nicht zurück in die „Lager“. Vielmehr gehörten Abschiebungen ausgesetzt und die Residenzpflicht abgeschafft.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) betonte auf einer Pressekonferenz, sie stelle kein Auszugsultimatum. Sie setze auf weitere Gespräche mit den verbliebenen Flüchtlingen. Von 211 im Haus registrierten Flüchtlingen seien 188 in Heimen untergekommen. Der Bezirk will in der Schule ein Flüchtlingszentrum einrichten. Er stellte in Aussicht, dass 70 Personen später dort auch leben könnten.

Der „Umzug“ hatte Protest hervorgerufen. Bei Aktionen von Sympathisanten in der Nacht zu Mittwoch gab es Festnahmen, mehrere Polizisten wurden leicht verletzt. In Brüssel wurden 21 Teilnehmer eines Flüchtlingsmarsches festgenommen, die aus Solidarität die deutsche Botschaft gestürmt hatten. Auch vor der Hauptmann-Schule wurde am Mittwoch demonstriert. Unter den Protestierer stand Abdin. Der Flüchtlinge lebte bis April im Zeltlager auf dem Oranienplatz.

Für den Abbau der Zelte auf dem Oranienplatz seien ihnen ein Heimplatz und eine Prüfung des Aufenthaltsstatus versprochen worden, erzählte Abdin. Drei Wochen nach dem Umzug habe er seinen Abschiebebescheid erhalten. „Der Senat hält seine Versprechen nicht.“ Nun lebe er als Illegaler.

Abdins Geschichte wird hier als Warnung gesehen. Die Dachbesetzer sind misstrauisch. „Diese Leute lügen alle“, sagte einer bei einer Pressekonferenz via Telefon. Andere wollten sich grundsätzlich auf das Bezirksangebot einlassen. „Ich will in ein Heime, aber die Polizei lässt mich nicht meine Sachen holen“, sagte Mustapha.

Am Nachmittag liefen Unterstützer zum Rathaus von Bürgermeisterin Herrmann. Einige zogen bis vor ihr Dienstzimmer und besetzten den Gang.