„Ich bin wie ein Aal, mich kann keiner greifen“

Als bislang einziger SPD-Mann auf weiter Flur kandidiert Stephan Frey gegen den amtierenden Innenminister Ralf Stegner um den SPD-Parteivorsitz in Schleswig-Holstein – und glaubt, ihm damit einen Gefallen zu tun

taz: Herr Frey, seit Ihrer überraschenden Kandidatur für den SPD-Vorsitz in Schleswig-Holstein erleben Sie vermutlich turbulente Tage.

Stephan Frey: Es geht. Aus der Partei redet zurzeit keiner mit mir, es sind noch alle in Urlaub. Aber dass es Wirbel geben würde, war mir klar. Ich bin schon lange politisch aktiv, und ich habe den Zeitpunkt in diesen nachrichtenarmen Tagen überlegt gewählt.

Es war keine spontane Entscheidung nach dem zweiten Glas Sekt in der Neujahrsnacht?

Nein. Auslöser war eine Aussage des amtierenden Parteivorsitzenden Claus Möller, er hätte nichts dagegen, wenn es mehr Bewerber geben würde. Die politischen Schwergewichte trauen sich offenbar nicht, also habe ich, als völlig Unbekannter ohne jedes Gewicht, mein Recht als Parteimitglied wahrgenommen.

Sie sagen, Sie wollen keine Spaltung der Partei. Aber mit Ihrer Gegenkandidatur beschädigen Sie doch den Favoriten Stegner?

Nicht unbedingt. Es kann sogar sein, dass Leute, die Stegner eigentlich nicht wollen, ihn lieber wählen als mich. Ich will eine Polarisierung der Partei, ich will klare Mehrheiten. Würde Ralf Stegner ohne einen Gegenkandidaten ein schlechtes Ergebnis erzielen, würde ihn das weit mehr schwächen. Ich will nicht, dass ein Schwergewicht, ein politisches Talent, verbrannt wird.

Also ist es eine Pro-Stegner-Kandidatur?

Nein. Ich kenne Herrn Stegner gar nicht persönlich, wir haben da auch nichts abgesprochen. Ich rechne mir schon gewisse Chancen aus, denn ich weiß, dass seine manchmal etwas ruppige Art bei der Basis nicht gut ankommt. Und er repräsentiert die Große Koalition und muss deren Entscheidungen vertreten.

Sie haben eine bewegte politische Karriere hinter sich, waren erst bei den Grünen, dann in der SPD, später wieder bei den Grünen aktiv – warum?

Aus der SPD ausgetreten bin ich wegen der Asylpolitik. Auch so genannte Wirtschaftsflüchtlinge sind für mich politisch Verfolgte, denn natürlich ist es Politik, wenn ein Staat Waffen kauft, statt seine Bevölkerung zu ernähren. Ich bin in dieser Frage meinem Gewissen gefolgt, ich hatte damals mehrere Ämter in der SPD, von denen ich zurückgetreten bin.

Aber als Vorsitzender können Sie schlecht das Parteibuch zurückgeben, wenn Ihnen eine Entscheidung missfällt.

Als Vorsitzender hat man einen anderen Stand, man kann frühzeitig seine Positionen einbringen. Und nein: Ich werde die Partei nicht verlassen. Zu den Grünen gibt es keinen Weg zurück, die sind mir zu neoliberal geworden, und die Meinungen der PDS sind nicht durchzusetzen.

Die Chance, dass Sie tatsächlich gewählt werden, ist minimal. Was versprechen Sie sich von diesem Schritt?

Zurzeit habe ich tatsächlich null Chancen, etwas anderes zu sagen, wäre Größenwahn. Aber ich will mich bei den Ortsvereinen vorstellen und kann vielleicht einige überzeugen. Mir ist schon klar, dass auch jetzt hinter den Kulissen geplant und geredet wird. Aber ich habe nichts zu verlieren – ich bin wie ein Aal, mich kann keiner greifen.

Trotzdem: Sie werden durch die Kandidatur bekannt. Sehen Sie das als Sprungbrett?

Ich will Archäologe werden und strebe kein politisches Amt mehr an – eigentlich zeigt das meine Kandidatur sogar. Denn nach dieser Aktion bin ich in der Partei auf Jahre hinaus verschrieen. Aber ich bin eben Idealist und kein Stratege.

Interview:
ESTHER GEISSLINGER