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Archiv-Artikel

Der Kaufkraft-Staubsauger

EXPANSIONSSTRATEGIE Das Luv in Lübeck-Dänischburg ist das erste Ikea-Einkaufszentrum in Deutschland. Es hat mehr Ladenflächen als es im Nachbarort Bad Schwartau gibt

Alles so schön rund hier: die Lampen an der Decke, die grünen Kreise auf dem Boden, die Sitzpolster auf der Umrandung des Podests auf dem Platz zwischen dem Eingang vom Saturn und der Bäckerei-Filiale. Auch das Kinder-Spielgelände am anderen Ende der Mall ist eine Kreisfläche. Rund, bunt und kinderfreundlich – typisch Ikea?

Die Schwedenfirma hat im Lübecker Stadtteil Dänischburg einen blau-gelben Möbelmarkt mit angehängtem Einkaufszentrum errichtet: das erste Ikea-Shoppingcenter in Deutschland. Es heißt „Luv“ – der Name wurde bei einem Wettbewerb unter mehr als 5.000 Einsendungen gewählt, weil er für „frischen Wind und eine Brise skandinavisches Flair“ steht, so Shop-Managerin Tatiana Prokhorova bei der Siegerkür.

Auf jeden Fall typisch Ikea ist, dass das Luv seine Besucher duzt, sie ankumpelt und in den Arm nimmt: „Auch du trägst zur sauberen Energie bei“, freut sich eine Hinweissäule wenige Meter hinter dem Haupteingang. Denn die Inter Ikea Centre Deutschland GmbH, Bauherrin des Luv, setzte bei dem 120 Millionen Euro teuren Großprojekt auf Geothermie: Es sei eine der größten Anlagen Deutschlands, die in der Shopping-Mall für Kühlung oder Wärme sorgen soll. Über 50 Geschäfte von der Bäckerei Junge über den Marzipanhersteller Niederegger bis zu C & A und Tchibo sind eingezogen. Die Händler setzen, genau wie Ikea selbst, auf die „Magnetwirkung“ des Möbelriesen.

Eben diesen Sog fürchten die Geschäftsinhaber in der Lübecker Innenstadt, und auch die Nachbarorte sind nicht begeistert. Unruhig blicken sie auf den zweigeschossigen Koloss, der direkt neben der Autobahn entstanden ist. 24.000 Quadratmeter Verkaufsfläche in der Mall, dazu der Ikea-Markt und ein Hornbach-Baumarkt gegenüber: Insgesamt bekommt der Komplex mehr Ladenflächen zusammen als es in ganz Bad Schwartau gibt, nur eben überdacht und mit Parkplätzen für 2.600 Autos. „Da wird ein Vollsortiment geboten“, sagt Bad Schwartaus Bürgermeister Gerd Schuberth. Die Stadt hatte versucht, den Bau gerichtlich zu stoppen. Der Versuch misslang, aber Klagen sind weiter anhängig.

Am Eröffnungstag kamen 15.000 Neugierige, und besonders an den Samstagen ist es immer voll. An diesem Abend allerdings, die Fußball-WM hat begonnen, schlendern nur wenige Kauflustige durch die Halle oder sitzen in den Schnellrestaurants im oberen Stockwerk. Die Wachen, in dunklen Hosen und weißen Hemden, warten mit den Händen auf dem Rücken auf den Feierabend.

„Wir sind keine Konkurrenz zur Innenstadt, denn so was wie uns gibt es sonst in Deutschland nicht“, sagt die Verkäuferin an der Kasse von „Stoff und Stil“, einem Laden, hinter dem eine dänische Kette steckt. Aus Dänemark stammt auch die Kette „Tiger“ nebenan – Deko-Artikel und Schnickschnack, „simpel und farbenfroh, mit einem Skandinavien-Touch“, wie es in der Eigenwerbung heißt.

Im Vorfeld des Projekts hatte sich die „Landesplanungsabteilung“ in Kiel eingeschaltet und auf kleinere Flächen gedrängt, worauf Ikea mit einem Stopp des Projekts drohte. Beide Seiten einigten sich auf einen Kompromiss: Damit das Luv nicht zu viel Kaufkraft abzieht, sollen bestimmte Läden draußen bleiben. Oder wie einer der jungen Männer bei Intersport sagt: „Es dürfen ja nicht alle, zum Beispiel Drogeriemärkte.“

Viele Händler seien durch das neue Center verunsichert, schreibt die Wirtschafts- und Immobilienzeitschrift Deal: „Gerade bei Anbietern im gehobenen oder Luxussegment hat das Interesse an einer Anmietung in Lübeck merklich nachgelassen.“

Andreas Joslyn, Geschäftsführer des Lübecker Karstadt-Hauses, gibt sich dagegen optimistisch: „Die Hauptmieter des Centers sind auch in der Innenstadt vertreten. Ich denke, wir haben keinen Grund, uns zu fürchten“, sagte er den Lübecker Nachrichten. Der Rollo-Hersteller Jaloucity und eine MacDonalds-Filiale haben allerdings bereits ihren Standort gewechselt.

Profitiert vom Shoppingcenter hat der Stadtteil Dänischburg. Wo jetzt das Luv ist, produzierte bis 2009 der Porzellanhersteller Villeroy & Boch Toiletten und Waschtische. Die Schließung des Werks kostete 150 Arbeitsplätze. Heute ist Villeroy & Boch mit einem Café und zwei Shops im Luv vertreten.  ESTHER GEISSLINGER