Menschen, Klänge und Maschinen

Inspiration durch Klänge. Heute Abend setzen sich die Hamburger Experimental-AnimationsfilmerInnen Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe mit dem Einfluss von Medienmaschinen auf schöpferische Arbeitsprozesse auseinander

Sa, 6.1., 21.15 Uhr, Metropolis, Dammtorstraße 30a

Was andere machen, ist bis heute für die Hamburger Experimental-AnimationsfilmerInnen Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe unerschöpfliche Quelle für Inspiration. Als sie vor mehr als 20 Jahren mit dem experimentellen Filmen anfingen – mit einer Super-8-Kamera und einem Trickfilm mit Bildserien aus einem Tanzschulbuch – waren im Alabama-Kino am westlichen Stadtrand einmal im Monat randständige Filme zu sehen. „Texas Chainsaw Massacre“ oder frühe Underground-Filme von John Waters. Begeistert beginnen Nordholt und Steingrobe selbst Trash- und Trickfilme zu machen.

Schon früh entscheiden sie sich für den Animationsfilm als bevorzugtes Ausdruckmittel. Vorgefundenes Bild- und Tonmaterial verknüpfen sie mit eigenen 2D- und 3D-Animationen. Dabei bleiben Nordholt und Steingrobe auch dem experimentellen Filmemachen nahe – vor allem durch ihren tastenden „Frame by Frame“-Ansatz. Vorbilder dafür finden sie in der Wissenschaft und der militärisch-industriellen Forschung, die Prozesse in Einzelbilder zerlegen, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Kurz gesagt: Nordholt und Steingrobe betreiben seit mehr als 20 Jahren eine eigenwillige Form von „Filmforschung“.

Nur selten bedienen sie sich dabei klassischer Erzählstrukturen. Stattdessen gehen sie assoziativ vor, verweben verschiedene Sinnebenen und eröffnen auf diese Weise ungewohnte Perspektiven auf komplexe Zusammenhänge. Bezugspunkte finden sie dafür auch in der Literatur, bei William S. Burroughs, Thomas Pynchon oder in der Kulturphilosophie bei Paul Virilio und Friedrich Kittler.

Auf internationalen Festivals sind Nordholt und Steingrobe mit ihren filmischen Forschungen seit mehreren Jahren mit großem Erfolg vertreten. Mit dem von Paul Virilios Essay „Krieg und Kino“ inspirierten 16mm-Film „Das dritte Fenster“ etwa, der anhand einer Auswertung von Eidechsenbildern die parallele Entwicklung von Kinomaschinerie und Militärtechnik erzählt.

Unter dem Titel „Physik der Visionen“ beschäftigen sich Nordholt und Steingrobe heute Abend im Metropolis-Kino mit dem Einfluss von Medienmaschinen auf schöpferische Arbeitsprozesse, der im 20. Jahrhundert zu völlig neuen Ausdrucksformen geführt hat. Vor allem die akustische Kunst hat sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte dabei zu neuen technischen Entwicklungen inspirieren lassen. Mit der Einführung des Tonfilms etwa entstanden neue Kooperationen zwischen Musik und bildender Kunst.

Das Programm versammelt Filme aus den vergangenen 70 Jahren, die durch Klänge inspiriert wurden – oder wie Musikstücke angelegt sind. So gibt es eine frühe Komposition von Steve Reich für Robert Nelsons antirassistischen Film „Oh Dem Watermelons“ zu entdecken und eine filmische Interpretation von Artur Honneggers expressiver musikalischer Beschreibung eines Eisenbahnzugs. Auch Claude Debussys Huldigung an das Wasser in „La mer“ wurde zur Inspirationsquelle für ein verblüffendes Filmexperiment über ein Wasserspiel von Ladislav Galeta. Die hohe Kunst der Verschmelzung von Geräusch, Aktion und Geschwindigkeit wiederum zeigt ein Zeichentrickfilm von Tex Avery. Im Mittelpunkt von drei weiteren Filmen stehen die Maschinen zur Speicherung und Wiedergabe von Klängen.

Nordholt und Steingrobe werden zudem heute Abend ihren neuen Film „Drei Grazien“ vorstellen. Ausgehend von der Tonspur der ersten jemals gespeicherten menschlichen Stimme besuchen die Schwestern Optik, Akustik und Schrift verschiedene Werkstätten des 20. Jahrhunderts, in denen sich Menschen mit Maschinen gekoppelt haben.ROBERT MATTHIES