: Tristesse auf Eis
Einzig das Paar Aljona Sawtschenko/Robin Szolkowy, trainiert vom ehemaligen Stasimitarbeiter Ingo Steuer, kann bei den nationalen Titelkämpfen der klammen Deutschen Eislaufunion überzeugen
AUS OBERSTDORF DORIS HENKEL
Auch am letzten Tag der Meisterschaften hingen die Wolken wieder tief über dem Allgäu; Regen nieselte herab und fiel auf triste Reste von Schnee. Und drinnen, in der Oberstdorfer Eishalle, präsentierte sich ein Verband, der so klamm ist, dass er jeden Euro, den er nicht hat, dreimal umdrehen muss, der weiter unter der Last der gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem wegen seiner Stasi-Vergangenheit umstrittenen Trainer Ingo Steuer ächzt und der mit großer Sorge zusehen muss, wie die Zahl seiner Läufer immer kleiner wird.
Nur einmal brach die Sonne durch. Beim fast perfekten Kurzprogramm von Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy wurde es für ein paar Minuten hell und warm. In der Kür, mit der die beiden am Samstag ihren vierten deutschen Titel hintereinander gewannen, passte nicht alles wie gewünscht; ein paar Fehler störten den Glanz. Sawtschenko, deren Ehrgeiz für drei reicht, meinte: „Gut, dass heute noch keine EM war.“ Was nichts an der Erkenntnis ändert, dass das Paar die Klasse hat, bei ebenjenen Europameisterschaften Ende des Monats in Warschau den Titel zu gewinnen. Das sieht auch Ingo Steuer so: „Wir wissen, woran wir arbeiten müssen, und dann wird uns keiner aufhalten.“
Was die eigene Rolle in der Erfolgsgeschichte seines Paares betrifft, kann sich der ehemalige Stasi-Mitarbeiter Hoffnungen machen, in den kommenden Wochen vergleichsweise ungestört arbeiten zu können. Uwe Harnos, Vizepräsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU) und Jurist, bestätigte in Oberstdorf, dass Steuer die Reisen nach Warschau und zu den Weltmeisterschaften Mitte März nach Tokio ohne den Einsatz einstweiliger Verfügungen antreten können wird. Der Verband ziehe bis auf weiteres Konsequenzen aus der Tatsache, dass sich in den bisherigen Verfahren vier Kammern für die Ebene Steuer und gegen die DEU entschieden hätten. Bis zur Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht München, die voraussichtlich im März oder April stattfinden wird, werde der Verband deshalb keine weiteren Maßnahmen ergreifen, das habe er dem Bundesinnenministerium (BMI) mitgeteilt, und auf diese Mitteilung habe das BMI bisher nicht mit Widerspruch reagiert. „Nach der Entscheidung des OLG werden wir Nägel mit Köpfen machen“, kündigte Harnos an. Gestützt auf die Antwort auf die prinzipielle Frage, was schwerer wiegt: das Grundrecht des Paares und seines Trainers auf freie Berufsausübung oder die Entscheidungshoheit des Verbandes.
Eines Verbandes, dem es nach der Einschätzung seines Präsidenten Dieter Hillebrand weiter überaus schlecht geht. Nach dem Verkauf ihrer Immobilie, einer Etage im Münchner Haus des Eissports, an den Deutschen Eishockey-Bund ist die DEU zwar zurzeit schuldenfrei, aber es ist kein einziger Euro übrig. Nachdem Hillebrand im Dezember erfuhr, der bisherige Fernsehvertrag der ARD mit der DEU werde mangels attraktiver Perspektiven nicht verlängert, sieht er die Gefahr, laufende Kosten nicht begleichen zu können. „Ohne den Vertrag fehlen uns jährlich 125.000 Euro“, sagt der pensionierte oberbayerische Polizeidirektor, der im November 2006 an die Spitze des neuen Präsidiums gewählt wurde, nachdem das alte zurückgetreten war. „Und wenn wir diese Situation nicht in den Griff kriegen, dann ist nächstes Jahr Schluss.“ Auf die Frage, wie es zu dieser prekären Lage kommen konnte, antwortete er: „Unser Vorgänger-Präsidium und das davor, die haben halt von Wirtschaft keine Ahnung gehabt.“
Der Eishockey-Fachmann an der Spitze der DEU gibt freimütig zu, er habe kaum Ahnung vom Eiskunstlauf. Aber die genügte, um die Tristesse im Schatten von Sawtschenko/Szolkowy zu erkennen. Die neue Meisterin der Frauen, Kristin Wieczorek, gewann zwar mit einer Kür ohne Sturz, aber auch ohne dreifachen Lutz und Flip, die international seit mehr als 20 Jahren zu den Standards gehören. Und bei Stefan Lindemann reichte es nur mit letzter Luft zum sechsten Meistertitel. Er präsentierte sich zwar mit einem veränderten, weicheren Laufstil, aber es war nicht zu übersehen, dass er nach nur vier Wochen Training vor allem noch erhebliche konditionelle Probleme hat. Sein Vorsprung vor dem Zweiten, Philipp Tischendorf, betrug am Ende nur 0,25 Punkte, und selbst Lindemann sagt, er hätte sich nicht beschwert, wenn die Entscheidung zugunsten des 18 Jahre alten Konkurrenten gefallen wäre.