heute in bremen : „Charismatische Persönlichkeit“
Chavez-Berater Heinz Dieterich hält einen Vortrag über den Sozialismus in Lateinamerika
taz: Venezuelas Staatspräsident Hugo Chavez gilt als neue Identitätsfigur der Linken. Wieso?
Heinz Dieterich, Soziologieprofessor in Mexiko-Stadt und Chavez-Berater: Sein Erfolg ist zunächst als Reaktion auf 20 Jahre neoliberale Politik in Lateinamerika zu verstehen. Außerdem hat Chavez eine sehr charismatische Persönlichkeit und sich in den vergangenen Jahren vom Oberst zum Staatsmann weiter entwickelt. Er hat Schwierigkeiten durch demokratische Wahlen überwunden und ein Sozialprogramm aufgestellt, mit dem er auch die venezolanische Mittelschicht überzeugt hat. Die Angst vor einem „kubanischen Modell“ ist also gebannt.
Welchen Anteil haben Sie daran?
Ich habe Chavez 1999 kennengelernt. Seitdem verbindet uns eine enge Freundschaft. Mit den Theorien zum „Sozialismus im 21.Jahrhundert“ und den „regionalen Machtblöcken“ konnte ich Chavez theoretische Elemente für seine Politik liefern. Ein Ziel ist beispielsweise der Zusammenschluss der lateinamerikanischen Staaten nach dem Modell der Europäischen Union.
Nach wie vor herrschen alte Eliten und Korruption in Venezuela. Was kann Chavez dagegen tun?
Den Anti-Chavez-Block aus Eliten und Mittelschicht ist nach sieben Jahren sozialdemokratischer Entwicklungspolitik aufgeweicht. Allerdings ist die Korruption, vor allem in der Justiz, nach wie vor eine der größten Gefahren.
Wieso erfahren kommunistische Ideen in Lateinamerika verglichen mit Europa einen stärkeren Aufschwung?
Weil die Zerschlagung des Sozialstaates dort viel extremer betrieben wurde als beispielsweise in Deutschland, wo das Sozialgefüge noch größtenteils erhalten ist.
Interview: Nina Kim Leonhardt
Vortrag um 20.00 Uhr in der Villa Ichon