: Wer den Ölhahn wirklich zugedreht hat
Der russische Pipelinebetreiber räumt ein, Rohölexporte der „Druschba“-Pipeline gestoppt zu haben
Langsam lichtet sich der Nebel darum, wer für die Unterbrechung der Öllieferungen nach Mitteleuropa verantwortlich ist. Noch am Montag hatten sich Russland und Weißrussland gegenseitig beschuldigt, den Ölfluss in der „Druschba“-Pipeline zu blockieren. Gestern räumte der staatliche russische Pipelinemonopolist Transneft nun ein, die Rohölexporte unterbrochen zu haben. Transneft-Vizechef Sergej Grigojew sagte nach Angaben der russischen Agentur Interfax, Russland habe damit den von Weißrussland angedrohten Transitzoll für Rohöl sanktionieren wollen. Die Gebühr von 45 US-Dollar pro Tonne Rohöl hatte Weißrussland zum 1. Januar eingeführt, nachdem Russland den Gaspreis für seine ehemalige Sowjetrepublik zum Jahresanfang mehr als verdoppelt hatte. Doch Russland weigert sich, die international unübliche Abgabe zu bezahlen.
„Weißrusslands Verhalten ist vertragsrechtlich nicht vertretbar“, sagte der Politologe Friedemann Müller von der Stiftung Wissenschaft und Politik der taz. „Russland bezahlt bereits Transitgebühren“, so Müller. Neue Gebühren könnten nur erhoben werden, wenn beide Seiten zustimmten. Zu einer juristischen Auseinandersetzung wird es wohl dennoch nicht kommen, glaubt Müller: „Es ist unwahrscheinlich, dass beide Seiten einen internationalen Gerichtshof anerkennen, der die Sache klärt.“
Beide Länder haben sich bislang auch nicht den internationalen Standards verpflichtet, die für die Beilegung solcher Konflikte gelten. Festgeschrieben sind sie in der internationalen Energiecharta. Der seit 1998 gültige Vertrag, unterzeichnet von 52 Staaten weltweit, regelt Schlichtungsverfahren bei Streitigkeiten. Er schreibt auch den ungehinderten Energietransit für Öl und Gas vor. Weil die Energiecharta Russland zu einer Liberalisierung seines weltweit größten Pipeline-Netzes zwingen würde, hat Russland die Charta bislang nicht ratifiziert.
Und: Selbst wenn der Lieferstopp noch länger andauern sollte, machen sich Abnehmer des russischen Rohöls keine großen Hoffnungen auf Schadenersatz: „Die Russen werden sich wohl auf höhere Gewalt berufen“, sagt Shell-Europa-Sprecher Rainer Winzenried der taz.
TARIK AHMIA