: „Stärke und Verletzlichkeit“
AUSSTELLUNG Städtische Galerie zeigt beeindruckende Auswahl des 34. Bremer Förderpreises für Bildende Kunst 2010. Preisverleihung heute durch Jens Böhrnsen
von Jean-Philipp Baeck
Das vielleicht beeindruckendste Stück ist Gregor Gaidas „Polygonales Pferd“ (2011). Wie eine überdimensionierte Qualle ragt die meterhohe Holzskulptur in den Raum der Städtischen Galerie. Er ironisiere männliche Machtsymbole, möchte sie ad absurdum führen, so Gaida.
Kultursenator Jens Böhrnsen wird heute die Ausstellung des 34. Bremer Förderpreises für Bildende Kunst eröffnen und den Preis verleihen. Mit Installationen, Skulpturen, einer Performance und gleich drei Fotoarbeiten sind am Buntentor die Werke aller zehn Nominierten zu sehen. „Wir haben dieses Jahr keine Malerei“, so die Leiterin der Galerie, Rose Pfister, über die Besonderheit der Auswahl. In den letzten Jahren gingen die Zahlen der BewerberInnen drastisch zurück: Von einst über 100 reichten dieses Jahr nur 34 ihre Mappen ein. Bewerben konnten sich AbsolventInnen einer Kunsthochschule aus Bremen und Umland.
Die Zahlen waren eingebrochen, seit 2004 im Zuge der Hartz-IV-Reformen die soziale Künstlerförderung abgeschafft wurde. KünstlerInnen wurden dabei sozial abgesichert, übergaben als Gegenleistung Werke an die Stadt. „Viele junge Künstler verlassen Bremen, weil sie hier keine Nische finden, in der sie ihr Brot verdienen können“, so Pfister. Bremen habe im Gegensatz zu Städten wie Berlin keinen Kunstmarkt.
Dieses Jahr geht der Preis an Björn Behrens. Für „Trost der Anderen“ (2010) arrangierte er eine Fotoserie mit Straßenhunden aus Kalkutta und Istanbul mit der junger Turmspringer aus dem Bremer Stadion- und Unibad. Die überregionale Jury lobte „jugendliche Stärke und Verletzlichkeit, Autonomie und soziale Verflechtung“. Tatsächlich rührt gerade die gegensätzliche Verbindung an Gefühlen und Erinnerungen an die halbstarke Meute auf dem Sprungturm, die mit Mutproben und Hierarchiegerangel dem Kampf der Straßenhunde in nichts nachsteht.
Mit Joanna Kosowskas „Über den militärischen Raum“ (2007/2008) und „Konvoi“ (2007/2008) von Johanna Ahlert sind mit der des Förderpreisträgers insgesamt drei Fotoarbeiten ausgestellt. Kosowskas Aufnahmen zeigen verrottete Militäranlagen der Wehrmacht, die Spuren des deutschen Wahns in ganz Europa. Sie enttarnt das Gras über der Bunkerruine als Ironie, fängt die beängstigende Stille der einst brachialen Orte ein. Gleichwohl bleiben ihre Bilder dokumentarisch. Ebenso Johanna Ahlerts Fotoserie über linke Freiräume. In Wagenburgen, auf dem Camp der G8-Gegner in Heiligendamm oder bei dem Bremer Projekt „Sproutbau“ – an Orten im Freien war sie auf der Suche nach Selbstbestimmung. Sie kontrastiert die Architektur ohne Menschen mit Portraits der ProtagonistInnen, ohne eine Zuordung zu erlauben. Die oft hölzernen und bunten Gebäude zeigen deutliche Spuren ihrer Erbauer. Und doch: Wonach Ahlert sucht, findet sie nicht auf den leeren Plätzen oder in den einzelnen Gesichtern. Freiheit findet sich nicht allein im Freien. Vielleicht ist dies genau, was die Serie zeigt.
■ bis 20.3.2011. Eröffnung 5.2., 19h