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Archiv-Artikel

Achtfuffzich ab 2015 – aber nicht für alle

ENTSCHEIDUNGEN Bundestag beschließt mit großer Mehrheit den Mindestlohn. Nahles: „Ein Meilenstein.“ Der Deutsche Bauernverband befürchtet, dass der Handel bei höheren Preisen nicht mitzieht

BERLIN taz | Der Mindestlohn ist beschlossen. Der Bundestag stimmte am Donnerstag mit großer Mehrheit der Lohnuntergrenze von 8,50 Euro brutto pro Stunde ab dem 1.Januar 2015 zu. Laut Arbeitsministerium werden 3,7 Millionen Menschen vom Mindestlohn profitieren. Kurzzeitpraktikanten, Auszubildende und für das erste halbe Jahr der Beschäftigung auch Langzeitarbeitslose sind vom Mindestlohn ausgenommen.

In Branchen, in denen es bereits niedrigere tarifliche Mindestlöhne gibt, kommt die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro erst zum Jahresanfang 2017. Union und SPD hatten zudem noch Übergangsregelungen für Zeitungsausträger und Saisonarbeitskräfte beschlossen.

Für Zeitungsausträger wird der Mindestlohn gestaffelt bis zum Jahre 2017 eingeführt. Saisonarbeiter in der Landwirtschaft sollen als Erleichterung für die Landwirte statt bisher 50 künftig 70 Tage sozialversicherungsfrei ackern dürfen. Außerdem sollen Kost und Logis auf den Lohn angerechnet werden können.

Diese Sonderregelungen nützten nichts, rügte Michael Lohse, Sprecher des Deutschen Bauernverbandes, im Gespräch mit der taz. Landwirte, die ihren ausländischen Erntehelfern Kost und Logis heute ohne Anrechnung gewährten, könnten nicht plötzlich von dieser Praxis abrücken. Höhere Löhne könne man zwar theoretisch durch höhere Preise kompensieren, der Lebensmitteleinzelhandel ziehe dabei aber erfahrungsgemäß nicht mit.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sprach von einem „Meilenstein in der Arbeits- und Sozialpolitik“. Der arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Karl Schiewerling (CDU), hob die Bedeutung der Mindestlohnkommission hervor. Sie soll künftig alle zwei Jahre über die Höhe der Lohnuntergrenze entscheiden und sich dabei rückblickend an der Entwicklung der Tarife orientieren. „Der Mindestlohn per Parlamentsabstimmung wird jetzt einmalig und letztmalig erfolgen“, erklärte der CDU-Politiker.

Im Gastgewerbe und in der Landwirtschaft finden derzeit noch Verhandlungen über Tarifverträge zu niedrigeren Branchenmindestlöhnen statt. Kommen diese Verträge, darf dort die Einführung des Mindestlohnes von 8,50 Euro erst Anfang 2017 erfolgen. Allerdings sind die Gewerkschaften in diesen Branchen derzeit nicht sonderlich bereit, ohne Gegenleistung niedrigeren Stundenlöhnen zu zustimmen. BARBARA DRIBBUSCH