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Archiv-Artikel

Schweden, ich komme

WIKILEAKS Der Prozess um die Auslieferung von Julian Assange wird diese kaum aufhalten können

Heute beginnt in London der Prozess um die Frage, ob die britische Justiz Wikileaks-Gründer Julian Assange aufgrund eines europäischen Haftbefehls nach Schweden überstellen soll. Obwohl Assange dort nur zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen vernommen werden soll, eine Frau vergewaltigt und eine andere sexuell belästigt zu haben, verweigert er dies bislang. Er begründet das mit der Befürchtung, womöglich an die USA ausgeliefert zu werden.

Die Taktik der Assange-Anwälte dürfte darauf abzielen, den von Schweden veranlassten Haftbefehl als rechtswidrig anzugreifen. Als „sachverständigen Zeugen“ setzen sie auf den ehemaligen Oberstaatsanwalt von Malmö, Sven-Erik Alhem. Er werde dem Londoner Gericht erklären, warum er in Sachen Assange anders gehandelt hätte, erklärte Alhem bereits vorab. Speziell werde er kritisch hinterfragen, warum dessen Name sofort öffentlich geworden sei und warum Assanges Verhör nicht während dessen Schwedenaufenthalts stattgefunden habe.

Tatsächlich war Assange bis Mitte September, und damit vier Wochen nach Erlass eines ersten – dann wieder aufgehobenen – Haftbefehls, in Schweden gewesen; sein Rechtsanwalt informierte die Staatsanwaltschaft auch ausdrücklich darüber, bevor Assange das Land verließ. Einwände hatte die Anklagebehörde damals nicht. Erst als Assange einer späteren Aufforderung zurückzukehren nicht folgen wollte, war der europäische Haftbefehl erlassen worden.

Laut eigenen Medienäußerungen dürfte Alhem auch aussagen, dass nach seinem Wissen über den Stand der Ermittlungen nichts dagegen spräche, Assange zunächst in Großbritannien zu verhören. Für dessen Komplottvorwürfe dürfte der Exstaatsanwalt aber keine große Hilfe sein, er nannte sie „grundlos“ und „lächerlich“. Und dass gerade in Sexualstrafdelikten unterschiedliche Staatsanwälte zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen können, deutet nicht auf eine negative Sonderbehandlung von Assange hin, sondern ist in der schwedischen Rechtspraxis durchaus üblich.

Daran, dass Assange den Haftbefehl aushebeln könnte, glaubt auch sein eigener schwedischer Rechtsanwalt Björn Hurtig nicht. Gegen die Ende Februar zu erwartende Entscheidung des Londoner Gerichts könne Beschwerde eingelegt werden, doch letztendlich werde es zu einer Auslieferung kommen – vor dem Sommer aber kaum, vermutete Hurtig gegenüber Göteborgs Posten.

Nachdem vor Wochen schon der Guardian umfänglich aus den Ermittlungsakten zitieren konnte, sind 97 kopierte Originalseiten nun im Internet nachzulesen. Und Julian Assange selbst appellierte am Freitag in einer Videobotschaft an die australische Ministerpräsidentin Julia Gillard, ihn „nach Hause zu bringen“: In Großbritannien sei er Todesdrohungen ausgesetzt. REINHARD WOLFF, STOCKHOLM