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Archiv-Artikel

Happy Slam

Das erste Großereignis des Tennisjahres beginnt heute mit den Australian Open. Kaum einer zweifelt am Titelgewinn des Schweizers Roger Federer. Der freut sich wie ein Kind auf die anstehenden Duelle

Geht Andy Roddickmit Hilfe seines Mentors Jimmy Connors weiter seinen Weg?

AUS MELBOURNE DORIS HENKEL

Tennisspieler klagen bisweilen, zu den weniger erfreulichen Seiten ihres Berufes gehöre die Reiserei. Die Tour nach Australien zum ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres ist, sofern man sich keinen breiten Sitz im Flugzeug leisten kann oder will, besonders lang und beschwerlich. Am Ende schmerzen die Beine, die Augen und der Rücken, vor allem dessen verlängerter Teil. Doch ausnahmsweise beschwert sich keiner, im Gegenteil. Sie freuen sich auf das Turnier, auf die Zeit in Melbourne, und dafür gibt es einen Grund, den Roger Federer am Tag vor seinem ersten Spiel liebevoll so beschrieben hat: „Nach der Turnierpause scheint jeder froh zu sein, die anderen wiederzusehen. Irgendwie ist das hier der ‚Happy Slam‘.“

Das Glücksgefühl des Titelverteidigers hat auch unter einer Niederlage im Finale des Einladungsturniers von Kooyong am Samstag gegen Andy Roddick nicht gelitten; das war wie üblich nicht mehr als Training unter verschärften Bedingungen. Die Geschichten, auf die es ankommt, werden ab heute im Melbourne Park geschrieben. Unter anderem zu folgenden Themen: Wie gut kommt Rafael Nadal in Tritt, der in der ersten Jahreshälfte 2006 wie ein enorm starker Herausforderer gespielt hatte, dem aber in der zweiten die Luft ausgegangen war? Geht Andy Roddick mit Hilfe seines Mentors Jimmy Connors weiter seinen Weg, der ihn zumindest wieder auf Sichtabstand zu Federer geführt hat? Ist Marat Safin wieder so gefährlich wie ehedem? Und was ist mit dem Australier Lleyton Hewitt, keine zwei Wochen nachdem der langjährige Freund Roger Rasheed den Job als Trainer völlig überraschend hingeworfen hat?

Hewitt erklärte dieser Tage zwar, die Freundschaft bestehe weiter, doch das hinderte ihn nicht am wenig schmeichelhaften Zusatz, Rasheed sei vielleicht nicht der beste Coach für ihn gewesen.

Wie fit der Australier nach einer Verletzung zu Beginn des Turniers ist, ist schwer zu sagen. Er selbst meint, falls er es schaffe, die erste Woche zu überstehen, dann könne er auch wieder ein Kandidat für den Titelgewinn sein. Selbst unter den australischen Fans gibt es genügend Leute, die Hewitt nicht mögen, doch auch die wissen, dass es ohne den besten Mann zurzeit ziemlich finster aussieht in der ehedem so erfolgreichen Tennisnation. Keiner der übrigen fünf Australier, die in Melbourne dabei sind, hat sich aus eigener Kraft für das Hauptfeld qualifiziert; Freifahrtscheine des Verbandes, sogenannte Wildcards, machen es möglich.

Verglichen damit ist das deutsche Männertennis in seiner Zehnerformation geradezu eine Macht, und das blieb schließlich auch den Australiern nicht verborgen. Für das Abendspiel des ersten Tages (ca. 11 Uhr MEZ/live in Eurosport) prangte neben dem Konterfei von Marat Safin auch das von Benjamin Becker über dem Eingang zur Rod Laver Arena, zuvor hatten sich an gleicher Stelle schon Björn Phau als Gegner von Roger Federer und Rainer Schüttler als Herausforderer des Vorjahresfinalisten Marcos Baghdatis vorgestellt. Tommy Haas gehört zu den Gesetzten; er ist die Nummer zwölf des Turniers, Folge und Bestätigung seiner guten Leistungen vom vergangenen Jahr. Vor dem ersten Spiel gegen den Spanier Albert Montanes am Dienstag versicherte Haas, er fühle sich fit und sei zuversichtlich und die Niederlagen der letzten Woche in Kooyong stünden alldem nicht im Wege. Im Gegenteil, er bastelt sich ein gutes Omen daraus. „2002 hab ich auch kein Spiel in Kooyong gewonnen, und dann war ich hier im Halbfinale.“

Das war im ersten Teil seiner Karriere, vor den Schulteroperationen und der Spielpause anno 2003. Vor einem Jahr hatte Haas, in starker Form spielend, das Pech, bereits im Achtelfinale auf Roger Federer zu treffen. Er weiß, dass er nicht mehr endlos Zeit hat für seinen Traum vom Finale eines Grand-Slam-Turniers; unter den besten 20 der Weltrangliste ist er mit 28 Jahren mittlerweile der Älteste.

Wenn Federer dagegen weiter im gleichen Tempo Titel gewinnt wie in den vergangenen drei Jahren, dann wird er mit 28 die Rekorde von Pete Sampras überboten haben. Für Federers dritten Titel in Australien nach 2004 und 2006 bieten Melbournes Buchmacher eine kaum noch ertragreiche Quote von 1,40 an, und wer dabei ein Geschäft machen will, muss schon eine große Summe investieren. Breiter verteilt sind die Präferenzen für das Frauenturnier. Die Nummer eins, Justine Henin-Hardenne fehlt, an ihrer Stelle steht Maria Scharapowa an der Spitze der Setzliste. Keine Frage, auf dieser Position fühlt sie sich wohl; im Licht, ganz oben.