: Von Äh bis Zeigefinger
Die ganze Wahrheit über das Leid des Edmund St. in 30 Stichwortenvon Michael Stiller
Amtszeit: Die A. des Edmund Stoiber (St.) ist demnächst beendet, Beginn 1993 nach dem Sturz Max Streibls. Auffällige Parallelen zum eigenen Sturz.
Akten: Lieblingsspeise des St. Für den Rücktritt will er aushandeln, dass ihm die Staatskanzlei zwei Wagenladungen Lieblingsakten für sein Reihenhaus in Wolfratshausen überlässt. Der Edi habe im Bett lieber „eine dicke Akte als eine schlanke Nackte“, sagt Günther Beckstein (-> Beckstein)
Äh: Lieblingswort des St. (-> Reden).
Beckstein, Günther: Freund des St., gleichzeitig großes Schlitzohr und mutmaßlicher Nachfolger als Ministerpräsident, wovon er selbst aber noch nichts wissen will. Sagt zur Kandidatur gegen St. nämlich auf Fränkisch: „Gein Dema.“ Soll die Abschiebung des St. nach Alaska zum Ananaszüchten planen, wohin auch schon Franz Josef Strauß (-> Strauß) wollte.
CSU: Von St. sehr lange als eine Art Erbhof betrachtet, jetzt als Geisel genommen, damit er bleiben kann. Aber die Knechte meutern und arbeiten nicht mehr, bis der Bauer in den Austrag geht. Wäre früher vor ein paar Umfragen nie in die Knie gegangen.
Dankbarkeit: Eigenschaft, die St. fremd ist, die er aber von seinen Vasallen einfordert. Da sie jetzt ausbleibt, herrscht bei ihm Fassungslosigkeit. Er kann allein deshalb nicht im Amt bleiben, weil er sonst einen Rachefeldzug begänne. „Gott vergibt, Edmund nie“, heißt es in der CSU.
Desstingtma: bayer. für „Das stinkt mir“. Zurzeit sowohl von St. als auch von den Landtagsabgeordneten häufig gebraucht.
Freunde: Hingen noch vor zwei Jahren in dichten Trauben an St. Jetzt gilt die Parteien-Steigerung: „Feind, Todfeind, Parteifreund.“
Franken: St.s Schicksal. S. auch Beckstein, Herrmann, Pauli. Selbstbewusster bayerischer Stamm mit süßem Sprachfehler.
Glück, Alois: Krisenmanager der CSU seit Jahrzehnten, der jetzt schon dem zweiten Chef beibringen soll, dass es nicht mehr geht (vor St. Streibl). Der katholische Bauernsohn hat einen makellosen Ruf, wenn auch protestantische Aufrührer wie Peter Gauweiler ihn bisweilen für „pfäffisch-hinterfotzig“ halten. Ohne ein gewisses Maß an solchen Eigenschaften ist eine CSU-Krise aber nicht zu lösen.
Herrmann, Joachim: Weiß manchmal nicht, was seine Landtagsfraktion schon längst weiß. Halb zieht er ihn, den St., halb fällt er hin. Der Sturz des St. käme für ihn zu früh. Im Moment kein Kandidat.
Huber, Erwin: lange Hausmeister des St. in der Staatskanzlei. Im Rennen um die Nachfolge des St. auf der Strecke geblieben. „Dann lieber weiter mit ihm“, ist die Devise des Niederbayern.
Ideen: Etwas, wovon St. selten heimgesucht wurde. Erinnerung an Herbert Wehner, der zu einem Abgeordneten, der eine Idee hatte, sagte: „Wie kann denn Ihnen eine Idee kommen?“
Jetzt langt’s fei: Kurzfassung der meisten Analysen zu St. in der CSU-Landtagsfraktion. Eventueller Zusatz: „Des hamma scho vor oanahoib Jahr g’wusst.“
Küche: Trauma des St., der sich schon als Hausmann in der Küche sieht, wo er noch nie war. „Wer in der Küche arbeitet, muss Hitze vertragen“, sagt er jetzt überall. Verträgt er aber nicht.
Muschi: Kosewort für Katzen, das für Frauen verboten gehört. St. nennt seine Frau Karin aber trotzdem so. Bemitleidenswerteste Frau Bayerns. Muss auf Empfängen tapfer im Wissen lächeln, dass St. bald für immer daheim ist.
Niederlagen: Für St. ungewohnt und kaum zu verkraften. Nach seinem Berlin-Desaster sagte er: „Ich leide wie ein Hund.“ Von der CSU jetzt völlig abserviert zu werden träfe St. noch viel härter. Keine Perspektive für die Zeit danach.
Oberbayern: Seit langem der in der CSU dominierende Bayernstamm. Strauß (-> Strauß), Streibl, Glück (-> Glück), St. – alles Oberbayern. Nach Franz Heubl, einem früheren CSU-Granden, sind Oberbayern „Vital, brutal, sentimental“. Das wird jetzt an St. exekutiert, die Franken (-> Franken) wollen an die Macht.
Pauli, Gabriele: Erfolgreiche und fesche Landrätin aus Fürth, die in drei Monaten herrlich unkonventionell das gesamte Münchner CSU-Patriarchat aufgemischt hat. Wahrscheinlich konnte das nur einer Frau gelingen. Dass sie auch noch eine schwere Ducati fährt, nährte bei den CSU-Herren, die so widerspenstige Weibspersonen eigentlich nicht mögen, dann doch schwüle Träume.
Quantum: St.s Quantum war überschritten, als er die Landrätin Gabriele Pauli (-> Pauli) nicht anhören wollte und die CSU mit der Ankündigung, er werde bis 2013 regieren, in Schockstarre versetzte.
Reden: Ausdrucksform, die St. überhaupt nicht lag. Trocken wie das Heu in der Tenne oder salbungsvoll wie ein Kaplan. Nur ein paar wirklich lustige Beiträge über den Transrapid, den Bären Bruno oder die Gartenarbeit sind von bleibendem Wert. Verlage, die trotzdem Reden drucken wollen, sollen sich melden.
Seehofer, Horst: Gaudibursch, CSU-Schwergewicht, momentan militanter St.-Verehrer, weil er in der CSU als Chef des Intrigantenstadls gilt. Ist sich mit Beckstein (-> Beckstein) über alles einig. Will aber als absoluter Saubermann an die Parteispitze und die Drecksarbeit andere machen lassen. Dafür wird jetzt sein Privatleben ans Licht gezerrt. So erging es 1993 schon Theo Waigel, als er St. das Amt des Ministerpräsidenten streitig machte.
Seilschaften: Bergsteiger-Formation, mit der sich St. auskannte, insoweit sie in der Politik angewandt wird. Seine Spezialität: Seil loslassen, wenn er oben ist. Weggefährten übertragen einen Italowestern auf ihn. „Leichen säumen seinen Weg.“ Jetzt haben die anderen losgelassen.
Stoiber, Edmund Rüdiger: Geboren am 28. September 1941 in Oberaudorf, Landkreis Rosenheim. Deutscher Politiker. St. ist seit 1993 Ministerpräsident des Freistaates Bayern und seit 1999 Vorsitzender der CSU (-> CSU).
Strauß, Franz Josef: Förderer des St. Hielt ihn aber für langweilig und unerträglich bei Festen. Nahm ihn deshalb nie zu lustigen Terminen mit: „Der Edi bleibt da, der frisst ned, der sauft ned, der vögelt ned.“
Talentscout: Angebot von Uli Hoeness (FC Bayern) an St. (Heimatverein Farchet-Wolfratshausen) für die Zeit danach. Aber nur für Oberbayern. „Man muss dem Mann überschaubare Aufgaben geben“, sagt Hoeness.
Wildbad Kreuth: Schon öfter Hinrichtungsstätte für CSU-Größen. Irgendwo in den Kellern der Bildungsstätte gibt es einen Raum mit Folterinstrumenten. Strauß (-> Strauß) wäre 1976 nach einer vorübergehenden Abspaltung von der CDU politisch fast zu Tode gekommen, Streibl und Strauß mussten vor dem Exitus Kreuther Geist zu sich nehmen.
Yamase: heißt auf Japanisch der Sturm, in den St. geraten ist. Es ist ein von Polarluft genährter Kaltwind, ähnlich wie der Blizzard und mithin das Gegenstück zum Föhn, den St. nebst weiß-blauem Himmel so geliebt hat.
X 50 plus X, Zauberformel der CSU seit fast einem halben Jahrhundert. Von St. seit 2005 in Umfragen mehrfach unterboten. Das kann Mandate kosten, und das mag der gemeine Landtagsabgeordnete nicht, denn es könnte seines sein. Also muss St. weg.
Zeigefinger: Körperteil, der St. zum Verhängnis wird. Erigierte Zeigefinger, wie ihn St. unentwegt zeigt, mag der Bayer nicht. Besserwisser werden meist in Preußen angesiedelt, wo ein St.-Zweig hinführt. 13 Jahre haben sie es ertragen. S. auch: Jetzt langt’s fei.