: Vom Stau und seinen Verursachern
NORA MBGATHI
Seit über zwei Wochen dreht sich alles in meinem Leben um die Revolution. Ich habe beobachtet, wie die Normalität immer näher heranschleicht, aber bisher hat sie mich noch nicht erreicht.
Gestern war ich zum ersten Mal nicht auf dem Platz, obwohl ich gekonnt hätte. Ich war beschäftigt. Ich habe vergessene Bibliotheksbücher gesucht und Kurspläne gemacht, denn am Sonntag soll die Uni wieder anfangen. Es gibt Grenzen für mein Engagement. Ich will kein ganzes Semester verlieren. Zum ersten Mal in diesem Monat werde ich Downtown verlassen.
Der Verkehr in Kairo ist immer furchtbar. Doch ohne den Tahrir-Platz – einen der Dreh- und Angelpunkte – verbringt man Stunden mit dem einfachen Versuch, nach Downtown zurückzukommen, wenn man es raus geschafft hat. Das erzählt mir Lamma, die seit Dienstag wieder arbeitet. Wie schnell werde ich meinen Freunden, die weiter demonstrieren, übelnehmen, dass sie den Stau verursachen, in dem ich stehen werde? Viele von ihnen gehen mit mir zur Uni. Wie lange werden sie diesen Stau noch verursachen können? Viele ringen mit sich über die Rückkehr zum Alltag. Sollten sie auf dem Platz bleiben?
„Ein bisschen Normalität ist gar nicht schlecht“, sagte Lamma nach ihrem ersten Tag zurück bei der Arbeit. Auch sie hatte die Vorstellung nervös gemacht. Wie geht man um mit der Spannung zwischen dem, was man erlebt hat, und dem alltäglichen Leben? „Wie kann mir noch so was wie Uni wichtig sein, nachdem ich Mittwochnacht auf diesem Platz war?“, fragt Nada, die seit über einer Woche nicht zu Hause geschlafen hat. Ich war an jenem Mittwoch, an dem es Kämpfe zwischen Mubaraks Schlägertrupps und den sonst friedlichen Demonstranten gab, nicht auf dem Platz. Ich weiß es nicht.
Wir haben in den letzten Wochen oft davon gesprochen, was wir machen, „wenn das alles vorbei ist“. Wenn Mubarak nicht geht, dann ist für meine Kommilitonen ab Sonntag alles vorbei. Was ihnen bleibt, ist die Gefahr von Verhaftungen und Festnahmen. Am Freitag findet nochmal ein Millionenmarsch statt. Ein Funke Hoffnung bleibt, dass vielleicht ab Samstag schon alles vorbei ist.