Materie verdrängt Geist

Aus der Universität Dortmund soll eine Technische Universität werden, plant das Rektorat. Viele Fachbereiche fürchten, dass dann die Geistes- und Sozialwissenschaften verkümmern. Die Kulturwissenschaftler drohen sogar mit Abspaltung

„Wir haben schon eine starke technische Ausrichtung. Natürlich werden Gelder so eingesetzt, dass sie das Profil weiter schärfen“

VON MIRIAM BUNJES

Die Uni Dortmund plant den großen Kurswechsel. Nach den Plänen des Rektorats soll die Hochschule verstärkt technisch ausgerichtet werden. Möglicherweise wird sogar der Name in „Technische Universität“ geändert. Heute diskutiert erneut der Senat das Vorhaben, über das in Dortmund seit Monaten erbittert gestritten wird.

„Wir sind eine mittelmäßige Hochschule und das wird unser Untergang werden“, sagt Uni-Kanzler Roland Kischkel. Um das zu ändern, fordern er und die Rektoren drastische Veränderungen: Die Uni Dortmund soll sich zu einer „zeitgemäßen und innovativen technischen Universität entwickeln“, schreibt Rektor Eberhard Becker in einem Rektoratspapier, das der taz vorliegt.

In einer technischen Ausrichtung sehen die Unispitzen das meiste Potenzial im bundesweiten Wettbewerb um Exzellenzgelder. „In den Ingenieurswissenschaften liegen wir in den Rankings über dem Mittelmaß, dort gehen schon jetzt die meisten Drittmittel hin“, sagt Kanzler Kischkel. „Wir haben auch jetzt eine starke technische Ausrichtung, das wird sich mit einem verschärften Profil in Zukunft noch besser auszahlen.“ Zudem könne man sich so gegenüber den Unis Duisburg-Essen und Bochum, den anderen beiden Universitäten im Ruhrgebiet, besser abgrenzen.

Das Ende der Geisteswissenschaften soll die Neuausrichtung nicht bedeuten. „Das wäre ja nicht zeitgemäß“, sagt Rektor Becker. Das Rektoratspapier propagiert „eine multidisziplinäre Erforschung und Entwicklung technischer Systeme und Prozesse einschließlich ihrer künftigen gesellschaftlichen Entwicklung und kulturellen Implikationen“.

„Unter Naturschutz steht aber niemand“, betont Kanzler Kischkel. „Und natürlich werden Gelder so eingesetzt, dass sie das Profil weiter schärfen.“ Auf einer Diskussionsveranstaltung aller Lehrstuhlinhaber am vergangenen Donnerstag sagte der Rektor den Geistes- und Sozialwissen-schaftlern einen „vierjährigen Schutzzaun“ zu. Nach dessen Ablauf werde anhand messbarer Erfolge noch einmal entschieden.

Eine Forschungsatmosphäre, die vielen Professoren nicht gefällt. „In einem Schutzzaun hat Forschung schlechte Chancen sich weiterzuentwickeln“, kritisiert Horst Pöttker, Journalistik-Professor und Prodekan der Fakultät Kulturwissenschaften auf das Angebot. „Freie Stellen gehen bestimmt nicht an die umzäunten Bereiche, auch wenn sie Innovatives umsetzen sollen.“

Seine Fakultät fordert bessere Rahmenbedingungen für die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer. „Für uns ist es ein Horrorszenario, dass die Lehramtsstudiengänge auf reine Lehreinheiten reduziert werden“, schreibt Günter Nold, Anglistikprofessor und Dekan der kulturwissenschaftlichen Fakultät in der Campuszeitung. „Wenn wir gezwungen werden, unsere Arbeit auf die Ausbildung von Studierenden im BA-Bereich zu konzentrieren, ist für uns der Casus belli erreicht. Dann gehen wir.“

Auch auf der Diskussionsveranstaltung sprachen Kulturwissenschaftler von der Gründung einer Humanistischen Universität. „Reine Polemik“ nennt das Kanzler Kischkel. „Da gibt es ganz bestimmt kein Geld für.“

Würde sich tatsächlich die gesamte ehemalige Pädagogische Hochschule Ruhr, die 1980 in der fast ausschließlich technisch und naturwissenschaftlich ausgerichteten Universität Dortmund aufging, abspalten, würde die Uni auch den größten Teil ihrer 24.000 Studierenden verlieren. Auch das bedeutet wegen der Studiengebühren ab dem Sommersemester bares Geld.

„Die radikalen Kritiker vergessen, dass sich an der Uni tatsächlich irgendetwas ändern muss“, sagt Peter Vogel, Dekan des Fachbereichs Soziologie und Erziehungswissenschaften. „So geht die Uni nämlich wirklich im Wettbewerb unter.“ Vier Jahre Bestandsschutz hält er für eine faire Chance, einen Platz an einer Technischen Universität zu finden. „Alle guten TUs wie Dresden oder Braunschweig haben auch gute Geisteswissenschaften“, sagt Vogel.

Das Rektorat will das Konzept schon zum Sommersemester beginnen. „Wir können den Senat sowieso überstimmen“, sagt Kischkel. „Eine TU kann man aber nur umsetzen, wenn sie von einem Großteil mitgetragen wird.“ Strittig ist auch noch, ob die Universität sich tatsächlich umbenennt oder nur ihr Profil verändert. „Wir wollen langfristig auch den Namen ändern, aber daran wollen wir im Senat nicht scheitern“, sagt Kischkel.