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Archiv-Artikel

Israels Führung steckt im Schlamassel

Nach dem Rücktritt des Generalstabschefs gerät Regierungschef Olmert, gegen den auch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, zunehmend unter Druck. Und einige wollen nicht nur das Militär für die Fehler des Libanonkrieges verantwortlich machen

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Ein Stützpfeiler des Staates Israel nach dem anderen gerät derzeit ins Wanken. Nach Präsident Moshe Katzav, gegen den in Kürze der Prozess wegen sexuellen Missbrauchs mehrerer Mitarbeiterinnen beginnen wird, entschied die Staatsanwaltschaft nun, ein Untersuchungsverfahren gegen Premierminister Ehud Olmert einzuleiten. Er habe beim Verkauf einer staatlichen Bank versucht, privaten Geschäftsfreunden unter die Arme zu greifen, so der Verdacht. Generalstabschef Dan Halutz wollte gar nicht erst auf die Entscheidung seiner Vorgesetzten warten und reichte gestern sein Rücktrittsgesuch ein. Ihm wird in dem militärischen Untersuchungsbericht die Hauptverantwortung für das Versagen der Armee während des Libanonkrieges im Sommer 2006 zugeschrieben. Die Untersuchung über die Rolle der Regierung ist noch nicht abgeschlossen.

Abgesehen von Olmert und Verteidigungsminister Amir Peretz, die den Rücktritt des Stabschefs bedauerten, wurde der Schritt von Politikern als unausweichlich kommentiert. Damit allein sei es noch nicht getan, meinte der jüngst aus politischen Gründen zurückgetretene Minister Ofir Pines-Pas, der für das Amt des Vorsitzenden der Arbeitspartei kandidiert. Halutz „war nicht der Einzige, der für die Versagen des Krieges verantwortlich war – die Regierung gehört dazu“.

Ganze 14 Prozent der Bevölkerung bringen dem Regierungschef noch Vertrauen entgegen. Umfragen, die die liberale Zeitung Ha’aretz veröffentlichte, lassen seine Partei Kadima auf nur noch zwölf Mandate fallen, weit abgeschlagen hinter dem Likud, der derzeit 29 Parlamentssitze für sich gewinnen könnte. „Die Realität ist gut, nur die Umfragen sind es nicht“, zeigte sich Olmert wenig beeindruckt. Trotzdem bieten seine innenpolitischen Sorgen nicht gerade die besten Voraussetzungen für das Gelingen eines neuen US-amerikanischen Friedensvorstoßes.

US-Außenministerin Condoleezza Rice plant, in den kommenden Wochen gemeinsam mit Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas einen Dreiergipfel abzuhalten. Dabei geht es auch um eine innenpolitische Stärkung von Abbas. Keine leichte Mission für Olmert, dessen eigene Position so ungewiss ist. Allerdings signalisierte er gestern guten Willen, als er mehrere Übergänge zwischen dem Westjordanland und Israel besichtigte und dabei betonte, „dass die Wartezeiten verkürzt werden“ müssten. Zudem ordnete er die Räumung einiger militärischer Straßenblockaden an.

Die Kritik an Olmert reichte über das gesamte Parteienspektrum mit Ausnahme der Kadima. „Es ist sinnlos, wenn der Stabschef die Schuld übernimmt, während sich seine Vorgesetzten auf der politischen Ebene vor der Verantwortung drücken und weiter auf ihren Positionen bleiben“, kommentierte der Abgeordnete Gidon Saar. Von einem „Triumvirat“, bestehend aus dem Premier, dem Verteidigungsminister und dem Stabschef, sprach der rechtsnationale Abgeordnete Effi Eitam. „Das Debakel konzentriert sich auf alle drei.“

Die Idee, dass der Verteidigungsminister ausgetauscht werden sollte, ist nicht neu und wird offenbar vom Regierungschef befürwortet. Das Verhältnis zwischen Olmert und Peretz ist eisig, nachdem das Gerücht laut wurde, dass ausgerechnet Ehud Barak, Expremierminister und derzeit stärkster innerparteilicher Konkurrent von Peretz, das Amt übernehmen soll.

Nur Olmert selbst möchte nicht daran denken, vom höchsten Regierungsamt Abschied zu nehmen. „Ich habe eine saubere Weste“, kommentierte er die Nachricht vom bevorstehenden Untersuchungsverfahren. Er hegt „nicht den geringsten Zweifel daran“, dass die Sache „vielleicht schon innerhalb weniger Tage geklärt werden wird“. Die Polizei will Olmert jedoch erst gegen Ende der Untersuchung vernehmen. Vorerst warten die Beamten auf richterliche Durchsuchungsbefehle. Möglich ist, dass Olmert noch während des Untersuchungsverfahrens vom Amt suspendiert wird. Die Abgeordnete Scheli Jechimowitsch (Arbeitspartei) forderte, dass er freiwillig geht: „Der Verlust des Vertrauens in den Premierminister und in den Rechtsstaat verpflichtet Olmert zum Rücktritt.“