: Wie halten wir’s mit der Armee – und wie hält sie’s mit uns?
MILITÄR Enttäuschung, Angst, Hoffnung: Was die Demonstranten vom Tahrir-Platz über die Rolle des Militärs denken
AHMAD, 28, STUDENT
AUS KAIRO KHALID EL KAOUTIT
„Wo bleibt das Militär?“, rufen die Demonstranten am Freitagmittag auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Und gleich hinterher: „Das ägyptische Militär und das ägyptische Volk sind eins.“ Am Tag nach der enttäuschenden Rede von Präsident Husni Mubarak ist das Verhalten des Militärs das große Thema, das die Demonstranten beschäftigt.
Am Donnerstagabend, noch einige Stunden vor Mubaraks Rede, war das Militär an die Öffentlichkeit getreten und hatte in seinem „Kommuniqué Nr. 1“ verkündet, dass man die Forderungen der Demonstranten für legitim erachte und einen friedlichen Machtübergang garantieren werde. Dass diese Erklärung ohne Mubarak, den Oberbefehlshaber der Streitkräfte, abgegeben wurde, deuteten die meisten Demonstranten als recht sicheres Indiz für dessen baldigen Abgang. Umso größer war das Entsetzen, als dieser die erhoffte Erklärung verwehrte.
Enttäuscht sind nun viele auch über das Militär. Viele campen unter den Reifen von Militärfahrzeugen, um die Soldaten daran zu hindern, auf den Platz zu rollen. Sie umarmen die Soldaten, weil diese noch nicht geschossen haben, und das auch so bleiben soll. Und vorsichtig äußern einige ihre Enttäuschung.
„Wir wissen nicht, was hinter den Kulissen passiert. Es gibt Gerüchte, dass die Offiziere, die die Erklärung ohne Mubarak abgegeben haben, verhaftet worden sind“, sagt die junge Demonstrantin Youmna. Ein Gerücht eben, das aber Youmna, die seit dem ersten Tag der Revolte am Tahrir-Platz ist, verängstigt. „Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, das Militär sei auf unserer Seite“, sagt sie. „Sonst wäre es längst tätig geworden.“
Youmna kann, wie so viele andere Demonstranten auch, nicht nachvollziehen, wie das Militär die Forderungen von Demonstranten für legitim halten und zugleich Mubaraks Festhalten an der Macht gutheißen kann. „Ich erkenne nicht, dass das Militär zu uns steht. Uns bleibt nur der zivile Ungehorsam“, schlussfolgert der 28-jährige Student Ahmad.
Doch die meisten haben die Hoffnung auf die Streitkräfte, denen die gesamte ägyptische Staatsführung einschließlich Vizepräsident Omar Suleiman entstammt, nicht aufgegeben. Das Militär sollte die Macht übernehmen, die Verfassung ändern und den Weg für freie Wahlen ebnen, sagen viele. „Die Führung des Militärs spürt unsere Forderungen und tagt jede Stunde, um mögliche Schritte zu untersuchen“, formuliert die Mittdreißigerin Nagla. Es ist Wunsch und Hoffnung zugleich.
Immerhin: Trotz der Skepsis gegenüber dem Militär kann sich kaum jemand vorstellen, dass die Soldaten das Feuer eröffnen könnten. „Ich glaube, die Soldaten sehen im Präsidenten einen Onkel, den sie zwar nicht mögen, aber den sie besuchen müssen, wenn er krank ist“, glaubt ein Mittvierziger. Wenige Stunden später ist klar: Onkel Husni muss niemand mehr besuchen. Die Frage ist: Wie wird es mit Onkel Omar sein?