: „Grünen haben Bio geschadet“
INTERVIEW MORITZ SCHRÖDER
Herr Büsch, vor mehr als 20 Jahren haben Sie den Hof Ihrer Eltern auf biologischen Anbau umgestellt. Wie fanden die das?
Johannes Büsch: Mein Vater war zunächst nicht begeistert. Aber er musste einfach damit leben. Das war emotional nicht einfach. Er hat auch versucht, mich umzustimmen. Aber nachdem wir uns zusammen zwei Bio-Betriebe angeschaut hatten, war er einverstanden, nach dem Motto: Mach du mal.
Warum wollten Sie unbedingt Ihren Kopf durchsetzen?
Ich hatte vorher zwei Jahre lang Biologie studiert, war von der Umweltbewegung inspiriert. Für mich war klar, dass ich energie-effizient und nachhaltig anbauen wollte. Das war eine echte Herausforderung für mich. Außerdem kam eine intensive Tierhaltung, die einzige Möglichkeit, um den Hof in damaliger Form zu erhalten, für mich nicht in Frage.
War der Start schwierig?
Bis auf wenige Pioniere vor uns gab es mit Bio-Landwirtschaft keine Erfahrung. Wir mussten mit sehr wenig Geld und Substanz anfangen. Außerdem war der Betrieb noch sehr klein. Meine Eltern hatten 1954 mit einer Fläche von 17 Hektar angefangen. Als wir den Hof 30 Jahre später neu gestalten wollten war klar, der hatte seine besten Zeiten hinter sich und war so nicht mehr funktionsfähig. In unserem Hofladen starteten wir mit nur sechs Quadratmetern. Wir hatten keine andere Wahl als uns wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Den Betrieb haben wir sehr schnell umgestellt, weg von der damaligen Sauenhaltung. Unsere Produkte haben wir früh im Hofladen verkauft. Das alles lief natürlich in einem sehr kleinen Rahmen ab. Kredite haben wir anfangs noch nicht aufgenommen. Umso größer war der persönliche Einsatz. Nach Tschernobyl haben wir angefangen so genannte Vorzugsmilch, also Rohmilch, zu vermarkten. Das haben wir auch gegen alle Widerstände des Veterinäramts aufrecht erhalten. Schlussendlich haben sie es aber doch geschafft, uns aus dem Geschäft raus zu kegeln.
Woran sind Sie gescheitert?
Die Veterinäre wollten das einfach nicht. Für die bedeutete diese Art der Milcherzeugung nur Arbeit, die an üblichen Vermarktungswegen vorbeigeht. Schließlich haben unsere Kühe das Queenslandfieber bekommen. Die Krankheit ist zwar für den Menschen vergleichsweise ungefährlich. In Nordrhein-Westfalen durfte die Milch von infizierten Tieren aber nicht verkauft werden. Weil ein großer Teil unserer Herde betroffen war, mussten wir aufgeben. Schließlich haben wir die Milch pasteurisiert, also alle Keime vor dem Verkauf abgetötet. Allerdings war das Produkt geschmacklich danach nicht mehr so gut wie vorher und wir konnten uns nicht mehr vom restlichen Markt abgrenzen. Gegen die großen Molkereien kamen wir finanziell nicht an.
Heute wächst der Biomarkt. Haben Sie das damals erwartet?
Wir sind fest davon ausgegangen, dass der Markt wächst. Diese Entwicklung gab es seit den 80ern für den gesamten Bio-Markt. Damals stieg mit der Produktion auch die Nachfrage.
Ab wann hat sich der alternative Anbau für Sie gelohnt?
Das ging relativ schnell. Als wir anfingen, lagen die Preise im Bio-Bereich noch deutlich höher als heute. Da hat es sich auch gelohnt, kleine Mengen zu verkaufen. Unser Hofladen, den wir in einen alten Hühnerstall reingebaut haben, ist ständig größer geworden.
Wer hat Ihre Waren gekauft?
Es gab damals weniger Marktstrukturen. Die Genossenschaftsgroßhändler arbeiteten noch unprofessionell. Unseren Markt mussten wir uns deshalb erst mühsam aufbauen. Das Getreide haben wir schließlich an einen Bäcker verkauft, die Kartoffeln im Hofladen direkt angeboten. Bis zu 20 Naturkostläden wurden von uns beliefert, unter anderem mit Getreide und Eiern. Den Läden hing zwar der Ruf an, nur verschrumpeltes Gemüse anzubieten. Unsere Preise waren aber sicher. Für unsere Milch sind die Leute damals sehr weit bis zu unserem Hof gefahren. Die haben damals Schlange gestanden und wir haben die Milch praktisch direkt von der Kuh in die Flaschen abgefüllt und verkauft. Die war teilweise so knapp, dass Eltern forderten, dass sie wegen ihrer Kinder mehr Milch als andere bekämen.
Heute werden Bio-Waren selbst im Discounter angeboten. Graben die Ihnen jetzt das Wasser ab?
Nein, wir versuchen uns davon abzugrenzen, indem wir Angebote machen, die es dort nicht gibt. Wir bieten im Gegensatz zu den großen Läden perfekt frische Ware an. In unserem Laden gibt es heute eine gemütliche Ecke, um außer den Waren auch ein bestimmtes Lebensgefühl zu verkaufen. Hier können wir den Kunden genau erklären, wie wir Kartoffeln und Getreide anbauen. Hundert Prozent Bio gibt es im Supermarkt außerdem nicht. Verpflichtend sind 98 Prozent Bioanteil in den Waren. Der Rest wird nicht anders hergestellt als alle regulären Produkte. Diese zwei Prozent werden immer ausgereizt. Das ist für die Verbraucher kaum nachvollziehbar. Die großen Ketten haben kein Problem damit, ihre Bio-Ware billig im Ausland zu kaufen. Hauptsache, hinterher klebt ein Biosiegel drauf.
Im Supermarkt werden jetzt erste Bio-Produkte knapp. Sind Ihnen auch schon die Kartoffeln ausgegangen?
Wir haben ja zum Glück unsere eigenen Kartoffeln. Ich produziere immer nur so viele, wie nachgefragt werden.
Die Grünen im Land glauben, der Mangel sei von der Landesregierung hausgemacht, weil die ihre Bio-Förderprogramme zusammengestrichen hat.
In NRW sind die Grünen mit ihrer Förderungspolitik dem Biomarkt eher in den Rücken gefallen. Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein. Anfang des Jahrtausends hat der Nitrophen-Skandal, bei dem es um schädliche Unkrautvernichtungsmittel in der Biobranche ging, die Verbraucher verunsichert und Bio wurde weniger gekauft. Obwohl die Preise für die Erzeuger massiv gefallen sind, wurde biologischer Anbau dennoch stark gefördert und viele Betriebe haben ihre Produktion umgestellt. In Nordrhein-Westfalen wurden die Bio-Höfe unter Rot-Grün mit hohen Umstellungsprämien gefördert, um für die Grünen politisch gewünschte Zahlen zu erzeugen. Weil sich das Geschäft für die Bauern aber nicht mehr rechnete, sind die Umstellungszahlen in den vergangenen vier Jahren stark zurückgegangen. Da konnten Renate Künast oder Bärbel Höhn von den Grünen noch so sehr fordern: Wir wollen mehr ökologischen Landbau. Wir sind deshalb mit einigen Biobauern zum Landes-Umweltministerium gegangen und haben die Verantwortlichen gefragt, ob sie wüssten, was sie tun.
Was hätten die Politiker stattdessen tun sollen?
Vermutlich hätten sie mit der Förderung abwarten sollen. Zwei oder drei Jahre. Aber Geduld hat die Politik ja nicht. Deshalb waren die Förderprogramme bisher meist kontraproduktiv.
Das heißt, der politische Bioboom hat der Branche geschadet?
Ja, viele Höfe schreiben rote Zahlen. Die großen Handelsketten haben die Situation ausgenutzt und dem kleinen Landwirt keine Chance gelassen. Sie kaufen ihre Waren billig im Ausland ein. In Polen wird nun mal auch Bio billiger produziert als hier. Wir haben heute so viele Waren auf dem Markt, dass die Preise für die kleinen Produzenten zu niedrig sind. Auch die emotionale Haltung der Verbraucher zum nachhaltigen Anbau ist zurückhaltender als vorher.
Immerhin gibt es inzwischen ein Ökosiegel.
Ja, das so genannte Grüne Stoppschild. Das führt nicht nur zu einem größeren Markt, sondern auch zur Verunsicherung der Konsumenten. Die fragen sich zunehmend, wie stark die zertifizierte Ware aus dem Ausland wirklich kontrolliert wird. Die Identifikation des Einzelnen mit den Bioprodukten ist dadurch gesunken.
Sollten dann überhaupt noch Landwirte auf Bio umsteigen?
Zumindest der Rohstoffmarkt boomt. Es gibt zum Beispiel kaum mehr Biofutter für die Tiere, auch bei Gemüse und Kartoffeln wird es knapp. Daher sollte den Betrieben zumindest die Möglichkeit gegeben werden, umzustellen. Doch selbst die, die das machen wollen, tun es aus finanziellen Gründen nicht mehr. Obwohl sich der Biomarkt entwickelt, zahlt die Landesregierung keine Umstellungshilfen. Dabei sind die ersten zwei Jahre im Biobetrieb besonders hart.
Warum hat Ihr Hof trotz der Widrigkeiten überlebt?
Wir haben uns zum Glück aus der Abhängigkeit von den Handelskonzernen ausgeklinkt, uns unsere eigenen Nischen und Strukturen aufgebaut. Wie lange der Verbraucher in Zeiten von Bio-Discountern bereit ist, für seine Waren so weit aufs Land zu fahren, ist eine andere Frage.
Wenn Sie in Ruhestand gehen, werden Sie dann Gewinne aus Ihrem Hof mitnehmen?
Die Entwicklungen in unserer Branche gehen so schnell, dass ich nicht weiß, was in zehn Jahren ist. Bereut habe ich meine Entscheidung für den biologischen Anbau trotzdem nie. Damit kann ich mich identifizieren, auch wenn es manchmal ein Knochenjob ist.