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Archiv-Artikel

Sozialisten unter Druck

SPANIEN Die PSOE sucht mit einer Urwahl den Weg aus der Krise. Doch bisher überzeugen weder ihre Kandidaten noch das Programm

Jede vierte Noch-PSOE-Stimme könnte bald die neue Partei Podemos bekommen

AUS MADRID REINER WANDLER

Spaniens sozialistische Partei (PSOE) ist in der Krise. Der PSOE, der ältesten Partei des Landes, laufen die Wähler scharenweise davon. Bei den Europawahlen erhielt sie gerade noch 23 Prozent. Bei den letzten siegreichen Parlamentswahlen 2008 waren es stolze 43,9 Prozent. Generalsekretär Alfredo Pérez Rubalcaba (62) schmiss vor drei Wochen sein Amt hin. Am Samstag soll die Parteibasis per Urwahl einen Nachfolger bestimmen.

Einem der drei Kandidaten – dem Generalsekretär der Parlamentsfraktion Eduardo Madina (38), dem Abgeordneten aus Madrid Pedro Sánchez (42) oder dem Philosophieprofessor und Ex-Parlamentarier José Antonio Pérez Tapias (59) – fällt dann der undankbare Job zu, die PSOE aus einem nie dagewesenen Tief zu führen.

Sein Nachfolger habe „eine enorme Aufgabe vor sich“, erklärt Rubalcaba und mahnt die Parteibasis doch bitte am Samstag massenhaft an die Urnen zu gehen und den Neuen „zu stärken“. 198.000 Mitglieder sind dazu aufgerufen. Sollten weniger als die Hälfte abstimmen, wäre dies eine Schmach. Unwahrscheinlich ist dies nicht. Denn keiner der drei Kandidaten löst Begeisterung aus.

Madina und Sánchez liegen in der Mitgliedergunst, so will es die Presse per Umfragen ermittelt haben, bei rund 40 Prozent gleich auf. Pérez Tapias ist weit abgeschlagen. „Ich sehe weder Madina noch Sánchez mit einer eigenen politischen Persönlichkeit, die sie eindeutig erkennbar macht“, sagt Josep Borrell, der 1998 bei den ersten Urwahlen in der Geschichte der PSOE zum Spitzenkandidaten gekürt worden war. „Nur Nuancen unterscheiden die Kandidaten“, schreibt die Tageszeitung El País.

Es ist tatsächlich leichter Gemeinsamkeiten zwischen Madina und Sánchez zu finden als Unterschiede. Keiner der beiden kritisiert die Politik unter Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero. Der PSOE-Politiker leitete die Sparpolitik ein, bevor er 2011 die Wahlen verlor. Und als jetzt kürzlich Spaniens Linke nach der Abdankung von König Juan Carlos über ein Volksbegehren „Monarchie oder Republik“ debattierte, beugten sich die zwei der Parteidisziplin und stimmten mit der regierenden konservativen Partido Popular (PP) für das umstrittene Nachfolgegesetz. Es ermöglichte Felipe VI. den Thron zu besteigen. „Die Verantwortung gegenüber der Verfassung“ wolle es so, erklärte Noch-Parteichef Rubalcaba. Madina und Sánchez folgten ihm.

Viele Mitglieder und Wähler empört dies, wie einst 2011, als mitten im Sommer auf Drängen Berlins und Brüssels eiligst eine Schuldenbremse – ebenfalls im Einklang mit der PP – in die Verfassung geschrieben wurde. Der Paragraph gibt den Rückzahlungen an Banken Vorrang vor Sozialausgaben. „Sie vertreten uns nicht“, rufen die Demonstranten auf den unzähligen Protesten gegen die Austeritätspolitik. „PPSOE“ schreiben sie auf ihre Transparente und zeigen damit, wen sie für die Misere verantwortlich machen.

Die nur vier Monate vor den Europawahlen entstandene, linke Formation Podemos rund um eine Gruppe von Politik- und Soziologieprofessoren der Madrider Universität Complutense, greift diese Empörung auf und erhielt auf Anhieb mehr als 1,2 Millionen Stimmen (8 Prozent). Davon hatten viele einst die PSOE gewählt.

Laut Umfragen könnte Podemos bei den 2015 anstehenden Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen noch weit mehr Stimmen bekommen. Jede vierte Noch-PSOE-Stimme könnte dann Podemos zufallen. Ein mögliches Linksbündnis aus Podemos und der postkommunistische Vereinigten Linken (IU) droht die Sozialisten zu überflügeln. Bei den Sozialisten wagt derzeit niemand Prognosen, wo der Sockel der Wählerstimmen für die PSOE ist. So mancher schaut besorgt nach Griechenland, wo die dortige Schwesterpartei Pasok inzwischen auf acht Prozent abgesackt ist.

Die Urwahl ihres Generalsekretärs soll der PSOE neuen Schwung geben. Basisdemokratie ist in Spanien angesagt, seit Podemos sich in losen, für die Bürger offenen Zirkeln organisiert und über die Kandidaten zur Europawahl sowie über die Parteiführung im Internet völlig offen bestimmen ließ.

Bei der im Internet übertragenen Debatte der drei Kandidaten in der Parteizentrale in Madrid am Montagmittag war viel von „Transparenz“, „Demokratie von unten nach oben“, „Öffnung“ und „Wandel“ und „Restrukturierung des sozialistischen Projektes“ die Rede. Mit welchem Programm – dazu war wenig Konkretes zu hören.

Den neuen PSOE Generalsekretär muss Ende Juli noch ein Sonderparteitag bestätigen. Dort wird auch das neue Programm festgelegt, mit der die Sozialisten verlorene Wähler zurückgewinnen wollen. Wer dies dann bei den Wahlen im kommenden Jahr als Spitzenkandidat vertreten wird, sollen dann erneute Urwahlen zeigen.