Petersens Gnadenfrist

Der Konflikt in Hamburgs SPD über Parteichef Mathias Petersen wird immer schärfer. Der Kreis Mitte fordert seinen Verzicht auf Spitzenkandidatur, andere wollen eine Mitgliederbefragung an der Basis

Von Sven-Michael Veit

Der Konflikt in der Hamburger SPD über ihren Vorsitzenden Mathias Petersen verschärft sich. Nach einer 90-minütigen Sitzung des Landesvorstandes zeichnete sich gestern Abend eine letzte Gnadenfrist für Petersen ab. „Nach intensiven und kontroversen Diskussionen wird sich der Landesvorstand am Montag wieder treffen und das weitere Vorgehen und den Zeitplan festlegen“, sagte Petersen nach der Sitzung. Zuvor war ein Verzicht des 51-Jährigen auf die Spitzenkandidatur im Bürgerschaftswahlkampf nicht mehr ausgeschlossen worden. „Die Einigungsmöglichkeiten sind auf ein Mindestmaß reduziert“, sagte der Eimsbütteler Kreisvorsitzende Jan Pörksen der taz.

Vor allem deshalb, weil der Parteikreis Mitte sich offen gegen den Bürgerschaftsabgeordneten gestellt und er selbst in seinem Heimatkreis Altona kaum noch getreue Anhänger hat. In einer „harten, aber fairen“ Debatte im Kreisvorstand am Donnerstagabend sei Petersen zweieinhalb Stunden lang „offen die Meinung gesagt worden“, berichtet Kreischefin Kristin Alheit. Vollkommen zerschnitten sei das Tischtuch allerdings noch nicht: „Es hängt jetzt alles davon ab, wie Mathias damit umgeht.“

Der mächtige Kreis Mitte beschloss zur selben Zeit die Aufforderung an Petersen, „von seiner Kandidatur Abstand zu nehmen“. Dieser Beschluss sei in Anwesenheit aller Distriktsvorsitzenden „einstimmig“ gefasst worden, teilte der Kreischef und Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs mit. Über einen möglichen neuen Kandidaten als Herausforderer von CDU-Bürgermeister Ole von Beust sei „aber nicht gesprochen worden“, sagt Kahrs, der selbst nicht anwesend war. Er saß wegen des Orkans acht Stunden lang im ICE zwischen Berlin und Hamburg fest.

Teilnehmer der Sitzung wissen allerdings zu berichten, dass der Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, Michael Neumann, sich dagegen gesperrt habe, „dass wir ihn vorschlagen“. Der 36-Jährige, der seit drei Jahren beteuert, nicht Bürgermeister, sondern Innensenator werden zu wollen, mochte sich gestern dazu nicht äußern.

In Mitte habe Ratlosigkeit darüber geherrscht, so erzählen andere, „wie wir mit Mathias heil durch den Wahlkampf kommen und ein respektables Ergebnis erreichen sollen“. Ein Hintertürchen aber wird auch hier für Petersen offengehalten: „Wenn er sich bewegt, können wir ja neu nachdenken.“

Petersen war in dieser Woche von führenden Genossen heftig kritisiert worden wegen mangelnder Kommunikation mit der Partei, einsamer Personalentscheidungen, unabgestimmter Alleingänge und fehlender Strategie. Auf der Sitzung gestern Abend sollte er dem Vorstand ein „klares Konzept“ vorlegen. Auch Petersen wollte sich vor dem Treffen nicht äußern.

„Energisch“ forderte hingegen der Kreis Harburg Petersen auf, „an seiner Kandidatur festzuhalten“. Zugleich „missbilligte“ der Kreisvorstand „einhellig“ alle Versuche, ihn „öffentlich zu demontieren“. Zudem sprachen die Harburger sich für eine Mitgliederbefragung aus: „Die Entscheidung über eine Spitzenkandidatur soll in die Hände aller Parteimitglieder gelegt werden.“ Rasche Klarheit fordert der größte SPD-Kreis Wandsbek. Mögliche Gegenkandidaten zu Petersen sollten sich „bis Montagabend melden – oder schweigen“, beschloss der Kreisvorstand.