: Der Tag der Wahrheit
Heute will der SPD-Landesvorstand über die politische Zukunft von Parteichef Mathias Petersen sprechen. Der Ausgang ist offen. Dorothee Stapelfeldt gilt als mögliche neue Spitzenkandidatin
Von Marco Carini
Es ist der Tag der Entscheidung und der Ausgang gilt als völlig offen. „Es wird ein klares Bekenntnis für oder gegen Mathias Petersen geben“, ist sich einer der SPD-Kreisvossitzenden sicher. Doch auf der heutigen SPD-Landesvorstandssitzung – der ersten seit November – ist eine eindeutige Antwort in der Frage, wen die SPD zum Herausforderer von Bürgermeister Ole von Beust kürt, nicht zu erwarten. Die Partei ist in der Kandidatenfrage heillos zerstritten, gemeinsam geht nichts mehr.
Seit der einflussreiche SPD-Kreis Mitte vergangenen Donnerstag unmissverständlich zum Verzicht auf eine Spitzenkandidatur aufforderte und auch die Kreise Bergedorf und Eimsbüttel sich eindeutig gegen Petersen aussprachen, ist der innerparteiliche Bruch kaum noch zu kitten. Nie zuvor war in der Hamburger SPD ein designierter Spitzenkandidat innerparteilich dermaßen kraftvoll demontiert worden. Nur Harburg und Wandsbek stehen noch mehrheitlich hinter dem 51-jährigen Mediziner und versuchen ihn zumindest in eine Mitgliederbefragung zur Spitzenkandidatur zu retten. Von anderer Seite bekam er nur den Rat: „Mach es wie Stoiber!“
Am Wochenende bekam Petersen Rückenwind von unerwarteter Seite. Ausgerechnet Alt-Bürgermeister Henning Voscherau, der sich selbst monatelang der Partei wie Sauerbier als Bürgermeister-Kandidat angedient hatte, sprang Petersen zur Seite. „Unter all den Aktiven sehe ich keinen Anderen“, wies der nicht mehr aktive Voscherau auf den Mangel an personellen Alternativen hin und brandmarkte die innerparteilichen Kämpfe als „Katastrophe“ mit „einem Anstrich von Selbstzerstörung“.
Die Petersen-Kritiker wollen den angeschlagenen Parteichef heute zum Rücktritt zwingen. Ein klares Votum gegen ihn. Petersen hätte dann „zwei bis drei Tage Zeit für den geordneten Rückzug und wir einen neuen Kandidaten zu präsentieren“, gibt einer der Kreischefs den Wunschfahrplan der Petersen-Kritiker vor. Sollte sich die Vorstands-Mehrheit aber für Petersen aussprechen, müssten seine Gegner halt „den Arsch zusammenkneifen und mit Petersen in die Wahl ziehen“.
Die Eskalation der vergangenen Woche ist aus Sicht von Petersen-Kritikern „wieder einmal auf das mangelnde Krisenmanagement und die Beratungsresistenz“ des Parteichefs zurückzuführen. Nachdem auf einer Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstandes einige Kreisfürsten kritisiert hatten, „dass es im Kurt-Schuhmacher-Haus keine arbeitsfähige Struktur“ gäbe, Wahlkampfplanung und Pressearbeit daniederlägen, machte sich Petersen nicht an die Ausarbeitung neuer Konzepte, sondern drosch in der Presse verbal auf seine Kritiker ein – was diese als „unnötige Kampfansage“ werteten.
Kritik hatte es vor allem am von Petersen inthronisierten SPD-Sprecher Heiko Thornow gegeben, der sich aus Sicht seiner Kritiker zunehmend zum „Experten für Fettnäpfchen“ entwickelt. Thornow hatte vergangene Woche erst nicht verhindert, dass Petersen – wider aller Absprachen in seinem Führungszirkel –seine Gegner öffentlich attackierte, um dann mit der Eilmeldung, Petersen werde zukünftig „nachdenken, bevor er etwas tut oder sagt“ nicht nur in der CDU für allgemeine Erheiterung zu sorgen. Tags darauf versucht der Pressechef dann dem Parteichef mit der Botschaft den Rücken zu stärken, zumindest der SPD-Distrikt Hausbruch stehe noch eindeutig hinter seiner Kandidatur.
Als Alternativkandidatin wird hinter den Kulissen seit Tagen bereits die ehemalige Bürgerschaftspräsidentin Dorothee Stapelfeldt gehandelt. Doch auch wenn sie – wie innerparteilich erwartet – ihren Hut noch heute Abend in den Ring wirft, ist Petersen fest entschlossen, auf seiner Kandidatur zu beharren. Damit droht der SPD eine monatelange Mitgliederbefragung und damit ein Forum für alle Petersen-Kritiker, die öffentliche Demontage des Parteichefs weiter zu betreiben. „Grausame Wochen“, erwartet ein Petersen-Anhänger und prophezeit, „dass Petersen, selbst wenn er 60 Prozent der Stimmen bekommt, weiter geschwächt daraus hervorgeht“.