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Archiv-Artikel

Auch von den Türken kam keine Unterstützung

ISTANBUL taz ■ Im April 2005 druckte das Massenblatt Hürriyet einen Bericht seines New Yorker Korrespondenten Dogan Uluc ab: Er hatte den amerikanischen Anwalt von Murat Kurnaz, Professor Baher Azmy, getroffen. Dieser berichtete, dass nach der Freigabe der bisher unter Verschluss gehaltenen US-Dokumente die Unschuld von Kurnaz bewiesen sei, aber keiner sich um seine Freilassung kümmere: „Wenn sich die deutschen und türkischen offiziellen Stellen einschalten würden, käme Murat in Kürze frei“, sagte Azmy und fügte hinzu: „Die türkische Botschaft in Washington sagt, ‚Die Amerikaner machen das schon‘, und die Deutschen sagen, ‚Kurnaz ist zwar in Bremen geboren, aber er ist ein türkischer Staatsbürger, sollen sich doch die Türken darum kümmern.‘“ Anwalt Azmy erzählte auch, dass er im Oktober 2004 und Januar 2005 den Gefangenen in Guantanamo zweimal für je drei Tage besucht hatte. Dabei berichtete ihm Kurnaz bereits von der Folter, die er erlitt. Er sagte auch, dass er „völlig unschuldig“ sei, „man das gut wisse“ und ihn bald freilassen würde. Das sollte noch eineinhalb Jahre dauern.

Der Fall Kurnaz machte in seiner Anfangsphase in der Türkei große Furore: Nachdem alle aufgeatmet hatten, dass unter den mutmaßlichen Attentätern des 11. September kein einziger Türke war, kam der „Bremer Taliban“ auf. Angeblich hatte er sich von dem türkischen Imam Ali B., der für Afghanistan Kämpfer rekrutierte, einspannen lassen. Die Medien und damit auch die türkische Öffentlichkeit glaubten lange an die „Schuld“ von Kurnaz, da man sich seine Pakistanreise in so einer empfindlichen Zeit nicht erklären konnte.

Die Mutter von Murat, Rabia Kurnaz, kam wiederholte Male in die Türkei und stellte 2004 einen Strafantrag gegen die amerikanischen Verantwortlichen, die ihren Sohn unrechtmäßig festhielten und misshandelten. Sie bat Ankara um Hilfe. Nichts geschah. Man hörte nur eins: Das sei eine Regierungsangelegenheit – wenn also die proislamische AKP-Regierung, die 2001 an die Macht kam, Kurnaz’ Freilassung wirklich gewollt hätte, wäre das vielleicht gerade angesichts der guten Beziehungen zu Washington möglich gewesen. Hatte die AKP, die um ein sauberes Image bemüht ist, Angst davor, den „Taliban“ zurückzuverlangen? Nach seiner Freilassung sollte Kurnaz berichten, dass er auf Guantánamo auch von türkischen Beamten vernommen worden ist.Dilek Zaptcioglu