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Archiv-Artikel

Jünger, schneller, besser

HOCHSCHULE Der Wissenschaftsrat will den Weg zur Professur vereinfachen. Statt unsicherer Mitarbeiterstellen sollen Akademiker leichter Professorentitel bekommen

„Wir wollen die Professur nicht abschaffen“, versichert der Wissenschaftsrat

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Denise Dörfel hat in ihrer beruflichen Laufbahn vieles richtig gemacht. Die 36-Jährige schrieb erfolgreich Forschungsanträge, managte Projekte und leitete Gruppen. Auch ihrem Professor tat es leid, dass ihr Vertrag im letzten Jahr endete. Mittlerweile arbeitet die zweifache Mutter in Dresden, die Familie wohnt in Berlin. Ein Umzug lohnt sich nicht, denn die neue Stelle an der TU Dresden läuft in wenigen Monaten ebenfalls aus. Die meisten Kollegen, die mit ihr zusammen promovierten, arbeiten inzwischen außerhalb der Hochschulen. „Die waren vielleicht einfach schlauer“, sagt Dörfel.

Der promovierten Psychologin geht es wie 90 Prozent aller Nachwuchswissenschaftler an deutschen Hochschulen: sie unterschreiben einen befristeten Vertrag nach dem anderen – mit geringen Aussichten, je eine feste Stelle zu bekommen. Denn das deutsche Wissenschaftssystem ist im internationalen Vergleich ein Sonderfall. Wer eine unbefristete Stelle als Forscher sucht, muss Professor werden. Unterhalb der Professur gibt es kaum feste Stellen.

Doch durch das Nadelöhr zur Professur gelangen nur wenige, und wenn, dann erst im reifen Alter von über 40 Jahren. Die Zahl der Professuren ist zudem in den letzten Jahren kaum gewachsen. Die steigende Zahl von Studierenden in ihren Hörsälen fingen die Hochschulen mit zusätzlichem zeitlich befristetem Personal auf.

Das System sei ineffizient, für junge Wissenschaftler mit erheblichen Risiken verbunden und für ausländische Spitzenforscher wenig attraktiv, urteilt der Wissenschaftsrat. Die gelehrten Berater der Bundesregierung und der Länder haben am Montag Empfehlungen veröffentlicht, die darauf abzielen, die Zahl der festen Stellen an den Hochschulen deutlich zu erhöhen. Die Hochschulen sollen nach den Vorstellungen der Politikberater mehr unbefristete Stellen unterhalb der Professur schaffen, etwa für wissenschaftliche Mitarbeiter oder Lehrkräfte für besondere Aufgaben.

Daneben empfiehlt der Rat, einen erheblichen Teil der Professuren als „Tenure Track“ auszuschreiben, wie es in den USA üblich ist. Beim Tenure Track bewerben sich junge Leute nach der Promotion auf Stellen, statt geduldig auf eine Berufung zu warten. Nach einer sechsjährigen Bewährungszeit wird der Tenure in eine lebenslange Professur umgewandelt. Und die gute alte Habilitation? „Wir wollen sie nicht abschaffen, aber sie wird möglicherweise obsolet“, meint der Vorsitzende des Wissenschaftsrates Manfred Prenzel.

Schon 2025, so der Rat, könnte ein Viertel aller Professuren Tenure-Professuren sein. Um dieses Ziel schnell zu erreichen, sollen die Zahl der 23.000 Professuren um 7.500 aufgestockt und befristete Mitarbeiterstellen umgewidmet werden. Das System werde verjüngt und ehrlicher gemacht. „Wieso sollte man für Daueraufgaben nicht Dauerstellen schaffen“, meint Prenzel. Nur 23.000 aller 70.000 Stellen, die fest aus dem Etat der Hochschulen finanziert werden, seien tatsächlich feste Stellen: „Das kommentiert sich von selbst“.

Die Junge Akademie, ein Verbund von Nachwuchswissenschaftlern, applaudiert. „Wir fühlen uns bestätigt“, sagt Sprecher Cornelis Menke. Die Junge Akademie machte im vergangenen Jahr ebenfalls Vorschläge, wie die Hochschulen ihrem Nachwuchs bessere Perspektiven bieten können. Das Lehrstuhlprinzip, bei dem wenige Lehrstuhlinhaber über weisungsgebundene Mitarbeiterstäbe verfügen, halten sie für überholt. „Es wird Zeit, dass Deutschland seinen Sonderstatus umstellt, um international vergleichbar zu werden“, sagt Menke. Viele begabte Wissenschaftler suchten nach der Promotion inzwischen eine Stelle im Ausland. Auch Menke, der derzeit eine auf fünf Jahre befristete Stelle an der Universität Bielefeld hat, erwägt nach England zu gehen.

Denise Dörfel will hingegen in Deutschland bleiben. Allein wegen der Kinder. Am liebsten bliebe sie an einer Hochschule. „Ich forsche einfach wahnsinnig gern.“