Obligatorischer Sprachtest wird zum Härtefall

EHEGATTENNACHZUG Innenministerium will an Sprachtests im Ausland festhalten, SPD lieber mehr Alternativen dazu im Inland schaffen. Türkische Gemeinde wittert „Rechtsbruch“ der Regierung

BERLIN taz | Union und SPD streiten sich darüber, wie sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Nachzug von Ehepartnern aus der Türkei umsetzen sollen. Der Gerichtshof hatte am Donnerstag entschieden, es sei nicht mit einem früheren Abkommen mit der Türkei vereinbar, diesen an einen zuvor bestandenen Deutschtest zu knüpfen. Solche Sprachtests seien zwar grundsätzlich zulässig. Die deutsche Regelung gehe aber zu weit.

Die Union will weiter an den obligatorischen Sprachprüfungen im Ausland festhalten. Das Innenministerium will lediglich die Gruppe derjenigen ausweiten, die vom Pflichttest befreit werden können. Bisher kann davon nur in wenigen „Härtefällen“ eine Ausnahme gemacht werden, etwa bei Krankheiten oder Behinderungen. Nicht jeder Analphabet müsse aber ein solcher Härtefall sein, schränkte der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings (CDU), gleich ein.

Die Türkische Gemeinde zeigte sich darüber hell empört. „Dies wäre ein unerhörter Rechtsbruch“, erklärte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Safter Cinar. „Es ist falsch, die Visaerteilung an einen erfolgreichen Abschluss eines Deutschtests zu knüpfen“, findet auch Josip Juratovic, der integrationspolitische Sprecher der SPD – zumal es in der Türkei nur in den Großstädten die Möglichkeit gebe, einen Sprachkurs zu absolvieren. „Die Trennung der Familien ist nicht hinnehmbar“, sagte er der taz.

Der SPD-Mann fordert: „Man sollte es den Menschen freistellen, ob sie diese Kurse hier oder in der Türkei besuchen wollen.“ Die Integrationskurse im Inland könnten dann auch gleich „einen Kurs für Gesellschaftskunde anbieten“, regt Juratovic an.

Jetzt sucht die Große Koalition nach einer gemeinsamen Linie. „Das EuGH-Urteil verbietet nicht generell die Sprachtests, sondern fordert eine stärkere Berücksichtigung der Lebensumstände und die Anerkennung von Härtefällen ein“, betont Cemile Giousouf, die integrationspolitische Sprecherin der CDU. Nun gelte es, „deutsches Recht an europäisches Recht so anzupassen, dass ein guter Ausgleich zwischen dem Wunsch der Familienzusammenführung und dem gesellschaftlichen Interesse der Integrationsförderung gefunden werden kann“, sagte sie der taz. Eine Prognose, worauf ein möglicher Kompromiss hinauslaufen könnte, wagt sie aber nicht. Nach der Sommerpause wird das Innenministerium einen Gesetzentwurf vorlegen. „Ich bin optimistisch, dass wir gute Antworten finden werden“, sagt Giousouf dazu. DANIEL BAX

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