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Archiv-Artikel

Afrika hat den Weltsozialgipfel auf den Boden der Tatsachen geholt Nairobi in Bewegung

Beim letzten Weltsozialforum in Porto Alegre wehten viele rote Fahnen, in Sprechchören war viel von internationaler Solidarität oder Revolution die Rede. Die Teilnehmer konnten im Stadion Lula und Hugo Chávez zujubeln, in den Seminarräumen sprachen die Chomskys und Bovés der Bewegung aus dem Herzen. So konnte man sich wohlig in der Gewissheit einmümmeln: Das mit der anderen möglichen Welt werde schon irgendwie klargehen. Doch spätestens seit Nairobi ist klar: Das Weltsozialforum, wie es einmal war, es ist nicht mehr.

Afrika hat den Gipfel der Globalisierungskritik auf den Boden der Tatsachen geholt. Afrikas Aktivisten, die sich bislang kaum ein Flugticket zu einem der Weltsozialforen leisten konnte, standen auf einmal im Mittelpunkt. Migration, Viehdiebstahl oder Neokolonialismus überschatteten die gewohnten Themen WTO, G 8 oder US-Dominanz. Selbst ein Seminar des Rotary-Clubs zur Herstellung von Patchworkdecken hatte da seinen Platz auf dem Weltsozialforum, dem bislang pragmatischsten seiner Art.

Afrikas Aktivisten sind hochmotiviert und brennen darauf, ihren Regierungen und der Welt Dampf zu machen. Das Weltsozialforum hat der regionalen Bewegung Mut gemacht und, wichtiger noch, Zusammenhalt gegeben. In Afrika, wo internationale Telefongespräche nicht funktionieren und reisen teuer ist, sind die neu geknüpften Netzwerke von unschätzbarem Wert. Über praktische Strategien wurde mehr diskutiert als über Gegenentwürfe zur neoliberalen Gesellschaft; am Tisch saßen oft auch Insider aus Wirtschaft und Politik.

Das Weltsozialforum hat sich entwickelt – von einer Alternative zum Weltwirtschaftsforum hin zu einem Aktivistentreff, bei dem die gastgebende Region im Mittelpunkt steht. Das kann nur gut sein: für die Besucher, weil sie die Realität der Gastgeber verstehen lernen. Und für die Gastgeber, weil sie gestärkt aus dem Forum hervorgehen.

Es gibt noch viele Regionen, wo so etwas nötig ist. Ein anderes Forum ist nicht in Sicht. Es sollte über seine Rolle für die Stärkung der Zivilgesellschaft zufrieden sein. MARC ENGELHARDT