unverbremt
: Rudelverhalten in der Bürgerschaft

Eigentlich bekommt man es schon im Kindergarten beigebracht: Alle gegen einen ist fies. In der Grundschule ist der nächste Erkenntnisschritt dran: Man weiß nicht automatisch alles besser, sondern muss sich auch mal die Meinungen der anderen anhören. Und wenn man ein paar Jahre später als AbgeordneteR in die Bürgerschaft einzieht? Dann fängt das Lernen wieder von vorne an.

Schließlich ist das Parlament, genauso wie früher der Pausenhof, in streng abgegrenzte Reviere eingeteilt. Da kapiert auch der friedliebendste Abgeordnete schnell: „My Fraktion is my Castle“ – wer auf der anderen Seite der Mauer steht, gehört abgeschossen. Über Themen wie „Die Bildung der Persönlichkeit als Leitbild für die Schulen im Lande Bremen“ diskutiert man trefflich, beim darauf folgenden Tagesordnungspunkt, der „Entwicklung Bremerhavens“, kann man sich umso ungehemmter austoben.

Die Grünen halten die dortige Sanierungspolitik der großen Koalition für nur mäßig erfolgreich? Draufhauen! Die kleine Oppositionsfraktion kann sich wenigstens noch gegenseitig Nestwärme geben, mit tapferem Klopfen unterstützt sie ihre Rednerin. Dass sich für Siegfried Tittmann (DVU) keine Hand rührt, ist klar. Aber Willy Wedler, FDP, kann einem schon leid tun: Als der Einzelabgeordnete aus Bremerhaven „kritische Anmerkungen“ – neben durchaus vorhandener Anerkennung für den Bremerhavener Strukturwandel – ankündigt, steht er völlig allein im Gejohle. Besonders die Leute von ganz hinten tun sich akustisch hervor, aber auch das hat ja seine Logik: Je weiter man weg ist, desto vehementer muss man sich bemerkbar machen. Und im Rudel heult es sich am besten.

Henning Bleyl