Saufraß in Landsberg

UNSER ULI (4) Das geheime Tagebuch des Uli Hoeneß: Der „Steuer-Strolch“ über seinen Zellengenossen Hinkebein, den Bayern-Block im Nationalteam, aufmunternde Post aus dem Campo und eine dringliche Anfrage an Bundespräsident Joachim Gauck

Mein liebes Tagebuch

25. Juni 2014

Die anderen nennen ihn Hinkebein. Ich finde das nicht so lustig wie die anderen, denn Hinkebein ist in meiner Zelle. Hat Schmuddel-Schnappschüsse in seiner Frauenarzt-Praxis gemacht. Wir reden da nicht drüber, obwohl er immer Andeutungen macht und sich wohl ganz gern was von der Seele reden möchte. Ich will das aber nicht hören. Ich will gar nichts hören von dem ganzen Müll. All die kaputten Sachen von kaputten Typen. Echt krank. Mein Gott, ich frage mich immer wieder, was ich hier verloren habe. Können die nicht so was wie einen Steuerknast aufmachen? Wäre eh nicht schlecht: Vollzugsanstalten, geordnet nach Delikten. Hätte dann auch nichts gegen eine Verlegung zu den Hochstaplern oder Fälschern. Wenigstens was in der Birne, diese Typen, denk ich mal. Dank nochmal an Doc MW, dass er das mit dem Attest gut hinbekommen hat. Der Krankentrakt, sagen die, die sich hier auskennen, ist am besten auszuhalten. Wenn nur Hinkebein nicht wäre. Nachts stöhnt der immer so komisch. Finde kaum in den Schlaf. Ach, Susi, wenn ich das gewusst hätte! Bulle und Bär wären mir dann so egal gewesen wie Willi Lemke und Christoph Daum.

26. Juni 2014

Ganz schöner Weltuntergang in Recife. Hat ja trotzdem zum Weiterkommen gereicht. Na ja, gegen den Klinsmann kann es ja auch nicht sooo schwer gewesen sein. Da sag ich mal lieber nichts dazu. Aber unter uns: Viel besser als dieser Blender ist der Jogi auch nicht. Titel kann der einfach nicht. Sollten die doch noch was reißen, dann nur wegen meiner Jungs: Schweini, Manu, Toni, Jérôme, Götzinho und Philipp. Der FC Bayern kann Titel, logisch. Er kann vielleicht sogar Titel trotz dem Jogi. Ist schon komisch: Sonst hassen sie alle den FC Bayern, aber wenn Bayern wie beim Länderfinanzausgleich was für ganz Deutschland tun darf, dann sind wir herzlich willkommen. Normal ist das nicht. Aber: Gern geschehen, Deutschland. Zum Finale, so dringt es aus der Gerüchteküche, wird sogar ein neuer Flatscreen-Fernseher in der Krankenstation aufgestellt. Na ja, wenigstens etwas.

1. Juli 2014

Kuno fehlt mir. Alles fehlt mir. Mein Leben ist ein Torso. Ein Rudiment. Ein großes Nichts. Das noch über Monate. Schwer. Sehr schwer. Meine Jungs haben mir eine Postkarte aus dem Campo geschrieben. Ist mir das Herz aufgegangen. „Das war’s noch nicht“, schreiben sie. Diese verdammten Hunde. Ich bin bei euch. Es heißt ja immer, der Mensch gewöhnt sich an alles. Aber das ist ein Schmarrn. An nichts gewöhne ich mich hier. An gar nichts. Hinkebein sagt, er habe keinerlei Anpassungsprobleme. Der Depp.

5. Juli 2014

Gestern gab’s Szegediner Gulasch. Ein echter Saufraß. Im Krankentrakt darf man sogar Nachschlag holen. Exknackis behaupten, hab ich in der tz gelesen, hier auf der Siechenstation würde man zunehmen. Von wegen. Ich bin in jeder Hinsicht auf Diät. Und der Scheiß-Dow steigt auch nicht auf 17.500. Na ja, erstmal Grüße ins Campo, Jungs, macht weiter so! Vielleicht schafft es der Jogi ja doch. Aber dann liegt’s nur an der Bayern-Connection, ich kann das nicht oft genug sagen: an Adidas, Allianz und Hirmer. Ohne München hätte Jogi im Zelt campieren müssen da drüben. Es wird so kommen, dass der heilige André zum Schutzpatron des DFB erkoren wird. Alles nur eine Frage der Zeit. Und der Taktik.

6. Juli 2014

Hinkebein wird wahrscheinlich verlegt. Gott sei Dank! Perversling. Wenigstens eine ruhige Nacht.

13. Juli 2014

Wahnsinn!!! Leider auch wahnsinnig schlechtes Timing von mir. Und der Kroos haut auch ab. Das hätte ich weiß Gott zu verhindern gewusst. Ist ja fast schon Vaterlandsverrat von dem. So ein Ossi-Fischkopp hat eben nur lose Drähte zur bajuwarischen „Mia-san-mia“-Seele.

15. Juli 2014

Danke Schweini für die Grüße: „Ohne den wären wir alle gar nicht hier.“ Also ohne mich, Hoeneß. Da hat er recht. Wo wären sie denn ohne mich, frag ich mich grad. Ja, halt irgendwo in der Pampa oder der Bayernliga, oder was weiß ich. Hab meinen Anwalt gefragt, ob man diese positive Grundstimmung im Lande nicht dazu nutzen könnte, um beim Gauck wegen einer klitzekleinen Amnestie anzufragen. Der hat ja bejubelt, was ich im Grunde erschaffen hab’. Fragt’s mal den Schweini. Mal sehen, was draus wird. Bin zuversichtlich. MARKUS VÖLKER