: Werder: Runder Tisch mit Nazis
Nazis überfallen die Party von linken Fans im Ostkurvensaal des Weser-Stadions und schlagen mehrere Gäste krankenhausreif. Der Verein und sein Fan-Beauftragter sehen „kein Problem“
von Christian Jakob
Man kann sich harmonischere Geburtstage vorstellen. Ein Jahr alt ist die linke Werder-Bremen Fangruppe „Racaille Verte“ geworden, die Jubiläumsfeierlichkeiten, am Samstag vor einer Woche: ein Fußballturnier und eine Party im Ostkurvensaal des Weser-Stadions. Zwölf Mannschaften aus der linken Fan-Szene folgten der Einladung, an die 150 meist jugendliche Fußballer. Doch der Abend endete im Chaos. Etwa zwanzig Hooligans aus dem Neonazi-Spektrum griffen die Feier an, viele Gäste trugen Verletzungen davon, zwei von ihnen mussten mit mehreren Knochenbrüchen ins Krankenhaus.
„Gegen ein Uhr sind ein paar von den rechten Hooligans aufgetaucht. Sie hatten Nazi-Jacken an und haben gezielt angefangen zu provozieren“, berichtet einer der Partygäste. Kurz nachdem man sie aufgefordert habe zu gehen, seien rund zwanzig weitere Hooligans erschienen – unter ihnen bekannte Gesichter aus der Bremer Nazi-Szene.
„Die sind mit Stühlen und Flaschen auf uns losgegangen, haben einige Leute herausgegriffen und gezielt zusammengeschlagen“, erzählt einer. Als einige Partygäste versuchten, über den Osterdeich zu flüchten, seien ihnen Nazis hinterhergerannt, hätten sie zu Boden geworfen und getreten. Einem Fan, den die Angreifer offenbar für den Anführer von „Racaille Verte“ hielten, brachen sie Nase, Jochbein und eine Zehe. Kurz bevor die Polizei mit mehreren Mannschaftswagen eintraf, zogen sie sich zurück.
„Racaille Verte“, französisch: „grüner Abschaum“, zählt zur so genannten „Ultra“-Szene – ursprünglich fanatische italienische Fußball-Fans, die ihre Mannschaften in den Stadien mit unkonventionellen Choreographien, Gesängen und Fahnen unterstützten. Das tun auch die Mitglieder von „Racaille Verte“ – aber nicht nur: „Wir engagieren uns gegen Rassismus und Homophobie im Stadion“, sagen sie. „Schwulenfeindliche Gesänge und Nazi-Klamotten – das dulden wir in unserer Kurve nicht.“
Gut möglich, dass die Ultras sich damit den Nazi-Angriff eingehandelt haben. Die Attacke sei die Rache für ihre linke Stadion-Politik, schrieb ein Rechter in ein Internet-Forum der Ultras. Schon seit Wochen findet sich im Netz die Erklärung einer als rechtsextrem geltenden Werder-Fangruppe, die die neue Kleiderordnung nicht akzeptieren will: „‚Thor Steinar‘ muss im Stadion toleriert werden.“ Die von ostdeutschen Neonazis betriebene Mode-Marke trägt als Symbol eine verfremdete SS-Rune.
Auch Werder selbst ist nicht sonderlich gut auf die Ultras zu sprechen. „Ganz pflegeleicht sind die nicht“, heißt es. Die Ultras glauben zu wissen, warum: „Wir wehren uns gegen die Kommerzialisierung des Fußballs.“ Dass sich unter den Nicht-Ultra-Fans von Werder auch SympathisantInnen und VertreterInnen der Bremer Nazi-Szene tummelten, würde der Verein dagegen stets verharmlosen – da diese sich nicht in die Vereinspolitik einmischten.
Der Fanbeauftragte von Werder Bremen, Dieter Zeiffer, will von einem „Problem“ mit den rechten Fans nicht sprechen: „Der Ausdruck wäre überzogen.“ Doch Werder betreibe natürlich „Früherkennung“ und werde gegebenenfalls einschreiten. Am Sonntag hat sich „Racaille Verte“ wegen des Überfalls schriftlich an den Verein und sein Fan-Projekt gewandt. Werder schlug ihnen einen „Runden Tisch“ zur Klärung des Vorfalls vor. Die Ultras weisen das Angebot zurück: „Es gibt mit uns keinen runden Tisch mit Nazis.“