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Archiv-Artikel

ausgehen und rumstehen Wahnsinn wird wohlwollend zur Kenntnis genommen, interessiert aber niemanden wirklich

Während im „Il Buco di Heidi“ in der Schönhauser Allee mal wieder der beste Milchschaum Berlins für mich produziert wird, krame ich nach einer deutschen Zwei-Euro-Münze. Eine mit so einem blöden Bauhausadler drauf, von der kann ich mich leicht trennen. Die mit dem Konterfei von Julius Caesar dagegen ist mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen.

„Das ist doch Dante“, korrigiert mich ein süditalienischer Espressotrinker, als ich ihm stolz meine Caesarmünze zeigte. Na, dann eben Dante, aber majestätisch sieht er trotzdem aus. Ich halte dem sachkundigen Italiener ein weiteres Zweieurostück hin. „Und wer ist das?“, will ich von ihm wissen. Diesen Herrn kennt sogar er nicht, findet aber heraus, dass es sich um eine französische Münze handelt.

Abends in der Volksbühne gehen mir die Bauhausadler aus. Schweren Herzens gebe ich der Tresenkraft an der Bar die französische Münze. „Guck mal, da ist ein Franzose drauf, den keiner kennt“, sage ich zu ihr. Da unser Kaufgeschäft aber schon so gut wie abgewickelt ist, hört die Bedienung professionell weg. „Kein Problem“, sagt sie und drückt mir einen Plastikbecher in die Hand, mit dem ich den Konzertsaal betreten darf.

Drinnen folgt nicht nur das Geschehen auf der Bühne einem festen Ablaufplan. Etwas dynamischer als im Gottesdienst, aber fast eben so gesittet, stehen die Fans der kanadischen Band Hidden Cameras zu bestimmten Liedern auf und vollführen einheitliche Bewegungen. Weil die Musik mich nicht erreicht, pilgere ich wenig später mit Freunden in Richtung „8 Millimeter Bar“.

Hier ist jede Ordnung aufgelöst. Der DJ spielt „Babylon’s Burning“, qualmende Menschen schreien sich durch die laute Musik an, blutjunge Nordländer sausen im Vollrausch wie Kugelblitze umher und lassen sich wonnevoll in die Menge fallen. Wir wählen Kälte statt Qualm und positionieren uns vor der Bar im gelben Licht der Straßenlaternen. Jemand kommt vorbei, zieht seine Hose runter und zeigt sein blankes Hinterteil. Sein Wahnsinn wird mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, interessiert aber niemanden wirklich.

Die Tür fliegt auf und spuckt die inzwischen rangelnden Nordländer aus. Wie vom wilden Watz gebissen werfen sie sich auf den kalten Bürgersteig, bleiben dort wie Schwerverletzte liegen und bringen besorgte Passanten aus der Liegeposition heraus mit lustigen Sprüchen zum Lachen. Ich weiß schon, warum ich nicht in Köln wohne. KATHARINA HEIN