Deutsche AKW-Betreiber: Hier sind alle nüchtern

Mitgebrachte Alkoholika würden bei der Eingangskontrolle auffallen. Unangekündigt muss sich aber kein AKW-Mitarbeiter testen lassen

HANNOVER taz ■ Auf nüchternes AKW-Personal zu achten, ist in Deutschland nicht Sache der staatlichen Aufsichtsbehörden, sondern der Betreiber der Reaktoren. „Die Betreiber haben schon immer ein generelles Alkoholverbot ausgesprochen“, meinte etwa gestern die Sprecherin des niedersächsischen Umweltministerium Jutta Kremer-Heye. Genauso betonten die Umweltminister in Hessen und Kiel, dass die Mitarbeiter von Atomkraftwerken generell auf alkoholische Getränke zu verzichten hätten. Alkoholkontrollen durch die Aufsichtsbehörden gebe es allerdings nicht, sagte etwa auch der Sprecher des hessischen Umweltministeriums Torsten Volkert. Insgesamt gibt es übrigens nur noch fünf Bundesländer, in denen noch AKWs betrieben und beaufsichtigt werden.

Von den AKW-Betreibern war gestern keine Stellungnahme zu dem in Schweden zutage getretenem Alkoholproblem zu erhalten. In Ihrem Auftrag äußerte sich lediglich das „Deutsche Atomforum“, jene Lobbyorganisation, die seit Jahrzehnten für die Atomkraft wirbt. Das Atomforum versicherte zunächst, dass in den deutschen Atommeilern die Arbeitsabläufe so gestaltet seien, „dass ein mögliches Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter keine Auswirkungen auf den sicheren Betrieb der Anlage hat“.

Davon unabhängig gelte bei den AKW-Betreibern ein Alkohol- und Drogenverbot: „Der Konsum von Alkohol während der Arbeits- und Pausenzeiten ist generell nicht gestattet. Ferner ist es untersagt, unter Alkoholeinfluss die Arbeit aufzunehmen.“ Darüber hinaus werde den Mitarbeitern ein umfangreiches Programm von Beratung, Information und Seminaren über den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol angeboten, erklärte das Forum im Namen der Atomkraftwerksbetreiber weiter. Besonders die Führungskräfte würden regelmäßig darauf geschult, Anzeichen bei ihren Mitarbeitern zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Zudem gebe es für die Mitarbeiter in den relevanten Sicherheitsbereichen regelmäßige und wiederkehrende medizinische Vorsorge- sowie Strahlenschutzuntersuchungen.

Nach Angaben des Umweltministeriums in Hannover gehört es zur vom Atomgesetz verlangten Zuverlässigkeit des Betreibers, für nüchternes Personal zu sorgen. Auch die Sprecherin des Ministeriums in Hannover verwies gestern auf die medizinischen Untersuchungen, denen sich die Mitarbeiter, die auf der Warte von Atommeilern tätig sind, regelmäßig unterziehen müssen. Zudem sei es kaum möglich Alkoholika in ein Kernkraftwerk zu bringen, meinte Ministeriumssprecherin Kremer-Heye. Schließlich würden volle oder auch leere Flaschen bei den Eingangs- oder auch bei Ausgangskontrollen auffallen, bei denen die Beschäftigten auf mögliche Strahlenkontaminationen überprüft werden.

Unangekündigt in ein Alkotestgerät pusten oder gar ihren Blutalkoholspiegel kontrollieren lassen müssen die Mitarbeiter von deutschen Atomkraftwerken nicht. Solche unangekündigten Alkoholtest sind – vom Straßenverkehr abgesehen – aber in Deutschland auch bei anderen Berufen unüblich, bei denen ein klarer Kopf überlebensnotwendig ist. Laut Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty werden auch deutsche Piloten weder von Unternehmen noch von staatlichen Stellen unangekündigt auf Alkohol kontrolliert. Lediglich Spanien habe vor einiger Zeit solche Kontrollen angekündigt. In Deutschland seien Alkoholtests des fliegenden Personals zwar prinzipiell möglich, sie fänden aber nicht statt. JÜRGEN VOGES