Ein drittes Geschlecht

ZUORDNUNG Eltern intersexueller Kinder sollen auf dem Bremer Standesamt weniger Termindruck haben

Für die Rechte intersexueller Menschen macht sich die Bremer Bürgerschaft stark. Zunächst sollen Eltern von dem Druck entlastet werden, ihr Kind spätestens eine Woche nach der Geburt beim Standesamt als „männlich“ oder „weiblich“ eintragen zu müssen.

„Der gesellschaftliche Druck, auf die Frage ‚Was ist es denn geworden?‘ antworten zu müssen, besteht natürlich weiterhin“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Björn Fecker. Seine Fraktion hatte den Intersexualitäts-Antrag eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde – sogar der „Bürger in Wut“-Vertreter hob nach kurzem Zögern den Arm.

Noch vor zehn Jahren sei Intersexualität als Krankheit definiert und mit Hormongaben und irreversiblen Operationen „behandelt“ worden, sagt der Bremer Gesundheits-Staatsrat Hermann Schulte-Sasse. Mittlerweile sei das Umdenken jedoch in allen Landesgesundheitsbehörden angekommen: Gemeinsam fordern sie vom Bundesgesundheitsminister, eine Beratungsstelle für Eltern und Betroffene einzurichten. Bundesweit soll es etwa 100.000 intersexuelle Menschen geben. Früher wurden sie als „Zwitter“ oder „Hermaphroditen“ bezeichnet.

Bremen ist nach Hamburg das zweite Bundesland, das einen Vorstoß zugunsten Intersexueller in Bezug auf das Personenstandsgesetz unternimmt. Zunächst soll erreicht werden, so Fecker, dass die Meldefristen auf den Standesämtern „in begründeten Einzelfällen“ so weit gedehnt werden, bis Betroffene mit 18 Jahren selbst über ihr Geschlecht entscheiden können. Um die bislang geltende ausschließlich binäre Geschlechtszuordnung prinzipiell aufzuheben, seien allerdings Gesetzesänderungen auf Bundesebene erforderlich.

Mittlerweile hat auch der deutsche Ethikrat das „Leben zwischen den Geschlechtern“ auf seine Agenda gesetzt – ohne damit allerdings die Existenz eines „dritten“ beziehungsweise dauerhaft gemischten Geschlechts zu postulieren. HB