: Locker lassen mit MissinCat & Ulrike Haage
Musik dient, seien wir ehrlich, einem nicht zu unterschätzenden Teil ihrer Liebhaber vornehmlich der Entspannung. Die, das demonstrieren MissinCat und Ulrike Haage, kann allerdings mit sehr unterschiedlichen Methoden erreicht werden.
Zugegeben: Entspannung ist nicht eben Urike Haages vordergründigste Absicht. Die stellt sich aber trotzdem ein, wenn man dem Bewusstseinsstrom zuhört, den die Pianistin und Komponistin auf „in:finitum“ mit größter Selbstverständlichkeit fließen lässt. Haage hat früher nicht nur das Keyboard bei den Rainbirds bedient, sondern auch Jazz gespielt, die Big-Band Reichlich Weiblich geleitet und mit Avantgarde-Projekten wie Stein reüssiert. Das alles, also eine Popsensibilität wie ein Wissen um musikalische Grenzbereiche und gehöriges Traditonsbewusstsein, ist zu hören in den sechs Stücken von „in:finitum“. Das Ergebnis aber, bestimmt von Haages Klavier und vorsichtig unterstützt von Schlagzeug, Saxophon und der Sängerin Franziska Markowitsch, wehrt sich nicht einmal gegen mögliche Genrezuweisungen, sondern lässt diese mit spielerischer Leichtigkeit ins Leere laufen.
Das ist nicht nur im Klangbild eine deutliche Abkehr von Haages letztem, fünf Jahre altem Album, sondern auch im Anspruch. Das elektronikgestützte „Weißes Land“ wirkte allzu akademisch und fordernd. „In:finitum“ dagegen drängt sich nicht auf, sondern überlässt es dem Zuhörer, sich freiwillig in die Musik zu versenken. Passenderweise posiert Haage auf dem CD-Cover denn auch in Meditationsposition.
MissinCat dagegen hat sich für ihr neues Album „Wow“ lang hingestreckt ablichten lassen, attraktiv drapiert in einem pittoresken Ruderkahn, der auf einem tiefblauen See treibt. Vielleicht soll das signalisieren, dass die Entspannung hier nicht von innen kommt. Auf jeden Fall kann man sich gut vorstellen, einen unbeschwerten Tag mit der Musik der Exil-Italienerin, die auf den Namen Caterina Barbieri getauft wurde, noch zu verschönern: Ihr tänzelnder Folk-Pop provoziert Vergleiche mit Kate Nash oder KT Tunstall, und verleidete Rezensenten schon dazu, einen „Wohlfühlfaktor“ zu beziffern.
Der allerdings droht auf „Wow“ bisweilen in gefährliche Bereiche auszuschlagen. Jeder einzelne Song ist leichtfüßig arrangiert und mit unverschämt eingängigen Melodien ausgestattet, aber wenn Barbieri in „I Wish You Could Allow“ gar zu kleinmädchenhaft singt oder eine Tröte durch „Fly High“ knurrt wie ein trotziges Kinderspielzeug, dann nimmt die Niedlichkeit monströse Ausmaße an. Und selbst wenn es in „If You Make Me Happy“ dann doch mal etwas melancholisch wird, verspricht MissinCat treuherzig: „No, it cannot be that bad“. Sicherlich, irgendwie sperrig will diese Musik gar nicht sein, aber so fröhlich, ungetrübt und übermütig sie daherkommt, droht doch der gefürchtete Gummibärchen-Effekt: Macht süchtig, aber verdirbt einem schlussendlich den Magen. Und dann, mit schmerzenden Krämpfen, ist es auch Essig mit der Entspannung.THOMAS WINKLER
■ Ulrike Haage: „in:finitum“ (Blue Pearl/Indigo); live am 4.3. im Radialsystem
■ MissinCat: „Wow“ (R.D.S./Cargo), live am 2. 4. im HBC