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Archiv-Artikel

„Das ist die Voraussetzung für Rot-Rot“

THÜRINGEN Sozialministerin Heike Taubert hat als Spitzenkandidatin der SPD kaum Chancen, die nächste Ministerpräsidentin zu werden. Aber von ihrer Partei hängt es ab, ob die CDU oder die Linkspartei im Herbst in Erfurt den Ministerpräsidenten stellen darf

Heike Taubert

■ 55, Sozialministerin in Erfurt, ist seit 1990 in der SPD. Im Januar 2014 wurde sie Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Thüringen.

INTERVIEW STEFAN REINECKE

taz: Frau Taubert, wird die SPD in Thüringen nach der Landtagswahl im September wieder mit der CDU regieren – oder den Linkspartei-Mann Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen?

Heike Taubert: Das entscheiden wir nach der Wahl. Aber die SPD will vor allem selbst die Ministerpräsidentin stellen.

Das wären Sie. Aber 40 Prozent der WählerInnen kennen Sie gar nicht.

Also kennen mich 60 Prozent. Das ist nach nur einem halben Jahr Spitzenkandidatur ein guter Wert. Stephan Weil kannten in Niedersachsen auch nicht viele. Jetzt ist er dort Ministerpräsident.

In Niedersachsen hatte die SPD bei der letzten Landtagswahl über 30 Prozent, in Thüringen liegt sie in Umfragen unter 20, 8 Prozentpunkte hinter der Linkspartei und sogar 17 hinter der CDU.

Wir haben unser Potenzial noch nicht ausgeschöpft – CDU und Linkspartei schon. Da geht noch was.

Mit wem hat die SPD inhaltlich mehr gemeinsam – CDU oder Linkspartei?

Mit der Linkspartei haben wir auf den ersten Blick die größere Schnittmenge. Aber die Linkspartei war bisher immer nur in der Opposition. Wir brauchen solide Finanzen. Es ist fraglich, ob das mit der Linkspartei geht. Und: Wir haben mit der CDU seit 2009 viel SPD-Politik umgesetzt: bei den Kitas, längerem gemeinsamen Lernen, bei der Sozialpolitik.

Sie halten die Linkspartei nicht für regierungsfähig?

Bodo Ramelow möchte unbedingt regieren. Aber in seiner Fraktion gibt es Leute, die sich noch nicht entschieden haben, ob sie nicht lieber weiter Opposition sein wollen.

Also doch weiterregieren mit der CDU?

Nein. Wir werden nach der Wahl prüfen, ob die Linkspartei versteht, wie die finanziellen Spielräume sind. Wir haben im Land keinen Einfluss auf die Steuereinnahmen. Wir müssen dringend den Hochwasserschutz verbessern, wir müssen bei den Kitas Erzieherinnen ordentlich bezahlen. Wir haben in der Bildung schon jetzt für die nächsten fünf Jahre fixierte Mehrausgaben, wollen mehr Lehrer einstellen. Das kostet Geld. Viel mehr Spielraum gibt es nicht. Wir werden in Sondierungsgesprächen herausfinden, ob die Linkspartei zu Haushaltsdisziplin fähig ist. Das ist die Voraussetzung für Rot-Rot. Das haben wir ja 2009 auch so gemacht.

Ist die Lage für Rot-Rot besser als damals?

Anders. 2009 hatten wir ausgeschlossen, Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen. Jetzt tun wir das nicht mehr. Das heißt aber nicht, dass wir mit wehenden Fahnen Rot-Rot anstreben.

Welche Rolle spielt die DDR-Vergangenheit noch?

Wir haben Mitglieder, die aus der Bürgerbewegung kommen und zu Recht empfindlich sind. Die Linkspartei muss zeigen, dass sie ihre Geschichte aufgearbeitet hat.

2009 war eine Ex-Stasi-IM in der Verhandlungskommission der Linkspartei …

Die Thüringer SPD hat die Wahl

■ Koalitionspoker: Am 14. September wird in Thüringen gewählt. Erstmals hat ein Linkspartei-Politiker die Chance, Ministerpräsident zu werden. Laut der letzten Umfrage kann die Linkspartei mit 27 Prozent rechnen, die SPD mit 19, die CDU mit 36, die Grünen kämen auf 6 Prozent. Das würde für Rot-Rot unter der Führung von Bodo Ramelow reichen. Sicher ist, dass die SPD der Königsmacher sein wird. Vor fünf Jahren hatte sie noch ausgeschlossen, einen linken Ministerpräsidenten zu wählen – dieses Tabu haben die Sozialdemokraten nach der Bundestagwahl abgeräumt. Die SPD-Klientel ist unentschieden, ob sie weiter Christine Lieberknecht (CDU) unterstützen soll: 50 Prozent neigen zu Rot-Rot, die andere Hälfte zu Rot-Schwarz. Das erklärt, warum die SPD vor der Wahl die Koalitionsfrage offenlässt. Einen eleganten Ausweg hat die SPD-Spitze schon ins Auge gefasst: Eventuell wird sie nach Sondierungen ihre Basis in Thüringen über die Koalitionsfrage entscheiden lassen. (sr)

Dagegen haben wir protestiert. Das hat den rot-roten Sondierungen damals nicht geholfen. Ich gehe davon aus, dass Bodo Ramelow diesmal Ähnliches verhindern wird.

Wäre Ramelow ein guter Ministerpräsident?

Ich fand ihn in den Verhandlungen 2009 schwierig: aufbrausend und nicht berechenbar. Er ist ein guter Redner. Aber wenn er als Ministerpräsident führen will, muss er den Konsens suchen.

Trauen Sie ihm das zu?

Im Moment tut er so staatsmännisch, als ob er schon Ministerpräsident wäre. Er ist als Oppositionsführer leiser geworden. Ob das so bleibt, weiß ich nicht. Deswegen entscheiden sich die Wähler besser für mich.

Sie klingen skeptisch gegenüber einer rot-roten Koalition. Wäre es denn nicht schön, die CDU in Thüringen nach 24 Jahren an der Regierung mal abzulösen?

Manchmal wünsche ich mir das. Manche CDU-Minister tun so, als würden sie noch immer allein regieren und als wären wir SPD-Minister nur ein Betriebsunfall. Die CDU ist unbeweglich, wir sind dagegen offen für neue Ideen.