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Archiv-Artikel

Kölle down under

Rekord: Wahrheit-Reporterin feierte in Neuseeland weltweit als Erste Karneval

Was macht man so im Deutschen Club von Christchurch? Na, saufen!

Caro zieht sich ihre Skibrille auf. Ich lese durch die Schlitze meiner Piratenmaske den englischen Infozettel: Kölsche Karnevalsparty am 11. 11. im Ungarischen Club in Christchurch, erstmalig in Neuseeland, Motto: Mr han all ens klein ahnjefange (für Nichtdeutsche: We all once started small). Ein „funny hat“ (lustiger Hut) oder „lipstick-painted heart“ (Lippenstiftherz) seien erwünscht. Lippenstifte würden angeboten, „to help you fit in“ (um besser dazu zu passen), genauso wie German-style food. „Da müssen wir durch“, sagt Caro und nimmt einen kräftigen Zug aus der Sektflasche, bevor wir den Club erreichen. „Köllegirl“ steht auf ihrem T-Shirt. Sie stammt aus Bergisch Gladbach, Ortsteil Bensberg, ich aus Schildgen. Auffallen werden wir sicher nicht. Unsere Tarnung ist Caros Schwiegermutter im Raubtier-Look.

Im Saal stehen zwei Reihen langer Tische in Schunkelausrichtung gen Großbildfernseher, flankiert von einer „1. FC Köln“-Fahne, der ungarischen Flagge und Weihnachtsschmuck vom letzten Jahr. Knapp 30 Menschen in lustigen Hütchen und Lippenstiftherzen sitzen an den Tischen, starren in ihr Bierglas oder auf den Bildschirm, wo die Aufzeichnung einer Prunksitzung aus dem Kölner Gürzenich läuft. Da tobte aber der Bär! Caro bestellt sich „Halver Hahn (mit oder ohne Öllich) für 4,50 Dollar“, Schwiegermutter zwei Mettwürstchen mit Kartoffelsalat. Der Halve Hahn ist ein Käsebrötchen, Öllich sind rohe Zwiebeln, Kartoffelsalat ist wirklich Kartoffelsalat, wenn auch etwas bleich.

Durch die Reihen irrt rotgesichtig und glücklich das „Festkomitee Rheinischer Karneval“ in der Person von Herrn Schubach, in gold-roter Karnevalskappe und mit Orden behängt. Herr Schubach hatte für seine Veranstaltung nicht genug Karten verkauft, daher rief er wahllos bei eingewanderten Deutschen an, die er im Telefonbuch von Christchurch gefunden hatte und lud sie persönlich ein. Wer kann da nein sagen? Die junge Familie rechts von uns muss auf diese Weise in den Genuss des Abends gekommen sein und schaut ähnlich verstört wie Caros Schwiegermutter, wenn diese auf einer Kaffeefahrt zum Heizdeckenkauf genötigt wird. Der kahle, fleischige Mensch links von uns dagegen sieht aus wie die Made im Speck. Kommt ursprünglich aus Österreich, kann eigentlich nur noch Englisch, „aber meine junge Frau ist Russin, die versteht mich auch so“, prustet er mir ins Ohr. Er gehöre zum Deutschen Club von Christchurch. Interessant, sage ich, was macht man denn da so? „Na, saufen!“, lacht der Ösi-Kiwi, der doch erstaunlich gut Deutsch kann.

Es ist 20.11 Uhr, und Herr Schubach hält eine Rede auf Englisch, denn so gehört sich das im Gastland. Wir sind die Ersten auf der ganzen Welt, in the whole world!, die diesen Fastelovend, evening of the carnival, begingen, denn in Köln, wo um 11.11 Uhr die Jecken anfangen zu tanzen, sei es jetzt ja erst 8 Uhr morgens (kleiner Lacher von Herrn Schubach an dieser Stelle). Besonders zu begrüßen sei die Delegation des australischen Karnevalsvereins „Tivoliana“ – hier erheben sich drei Schwergewichte fortgeschrittenen Alters und Alkoholkonsums. Für die gibt es auch Orden. Wie gut, dass wir unseren Infozettel haben, sonst hätten wir’s schwer to fit in. So brüllen wir dreimol von Hätze (three times from the heart): Kölle (Cologne) alaaf (keine Übersetzung auf dem Zettel)! Festkomitee alaaf! Christchurch alaaf!

Herr Schubach hat eine nichtkölsche Keybordspielerin angeheuert. Sie orgelt die Karnevalsmelodien wie bei einer Beerdigung herunter. Schubachs Gesicht verzieht sich. „Die muss ich rausschmeißen“, sagt das Festkomitee und stellt nach einer qualvollen halben Stunde Klimperei die Stereoanlage an. Mit den ersten Klängen fährt es wie ein Ruck durch die Bankreihen: „Wenn das Wasser im Rhein goldner Wein wär“.

Endlich herrscht Stimmung, es wird geschunkelt! Caro und ich sind außer Rand und Band. „Mr losse de Dom in Kölle“ – das grölen wir mit, auch wenn Caro etwas streng nach Öllich riecht. Schwiegertigermutter ist nicht mehr zu halten und tanzt mit den Australiern.

„Rechts fahren!“, ruft ein Mann in deutscher Polizeimütze und neuseeländischer Scherzkrawatte. Der australische Vereinspräsident steht auf, reißt den Arm nach vorn und brüllt in den Saal: „Zickezacke, zickezacke, hoi, hoi, hoi!“ Der Saal brüllt zurück. Was für eine Party! Da können sie sich in Kölle am Ring aber was von abschneiden. Es kommt noch doller. Herr Schubach schubst seine als Mickey Maus kostümierte Frau vor sich her und beginnt eine Polonäse. Mitgehangen, mitgefangen – Caro und ich greifen uns beherzt ein paar Schultern und stapfen durch den Saal. „Nee, wat is dat schön“, singt Schwiegermama. Es ist schwer, sie wieder loszueisen, aber Caro und ich drängen auf Aufbruch. „Schnaps, das war sein letztes Wort“, dröhnt es aus dem Club, als wir um 11 Uhr 11 in die Nacht hinaustreten, „dann trugen ihn die Englein fort.“ Himmlisch. ANKE RICHTER