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Mitten im Asylverfahren

■ Kurde ohne Wissen des Bundesamtes aus Hamburg abgeschoben

Schiebt die Ausländerbehörde inzwischen Flüchtlinge ab, über deren Anerkennung noch gar nicht entschieden worden ist? „Mitten im Asylverfahren“, klagt der Hamburger Anwalt Mahmut Erdem, sei sein Mandant Sükrü B. (Name geändert), abgeschoben worden. Erdem hatte den Fall des 20jährigen Kurden übernommen, als dieser im Oktober an einem Hungerstreik im Abschiebeknast Glasmoor teilnahm (taz berichtete ausführlich).

Den zeitweise zwölf Hungerstreikenden war von der Innenbehörde versprochen worden, daß sie zusätzlich zum sogenannten Erstverfahren, in dem ihnen Asyl verweigert wurde, ein Folgeverfahren bekämen, in dem ihr Fall noch einmal geprüft werden sollte. Nicht, daß ihnen das etwas genützt hätte: Die meisten sind schon abgeschoben worden.

So auch Sükrü B.: Sein Erstverfahren galt am 27. Oktober als abgeschlossen. Entgegen der Zusage, daß sein Asyl-Folgeantrag vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL) bearbeitet würde, setzte die Ausländerbehörde Sükrü B. am 30. Oktober in den Flieger in die Türkei. Anwalt Erdem vermutet nun, daß die Ausländerbehörde ohne Weisung des BAFL gehandelt hat, denn nachdem B. schon eine Woche außer Landes war, trudelte Anfang November bei ihm die höfliche Nachfrage des BAFL ein, ob man sich denn nun um das Folgeverfahren für seinen Mandanten kümmern solle.

In der Ausländerbehörde will man von all dem gar nichts wissen. Erstens habe Sükrü B. an keinem Hungerstreik teilgenommen, demzufolge seien ihm zweitens auch niemals irgendwelche Zusagen gemacht worden, behauptet Behördensprecher Norbert Smekal. Für die Behörde ist die Abschiebung „nicht rechtlich zu beanstanden“, denn das „Erstverfahren war vollziehbar abgeschlossen“. Da allerdings trotzdem noch eine Klage anhängig gewesen sei, habe der Antrag Erdems auf ein Folgeverfahren keine Wirkung, das bewußte Schreiben der BAFL sei also auch „nicht als Antragsbestätigung zu verstehen“.

Quatsch, meint Anwalt Erdem: „Die werfen Nebelbomben.“ Das BAFL-Schreiben sei eindeutig. Irma Eggert von der „Glasmoorgruppe“, die Sükrü B. besucht und ihn betreut hatte, ist fassungslos: „Willkür“ herrsche in der Ausländerbehörde, schimpft sie; ihrer Meinung nach handelt es sich um „einen klaren Rechtsbruch“. uwi

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