Szenen einer Hamburger Müll-Ehe

■ Stadtreinigung gründet halbprivate Tochter für Gewerbemüll

Auch die Hamburger Stadtreinigung will ein ordentliches Stück Gewerbemüll-Kuchen abbekommen, wenn sie ihre Zentralgewalt vorraussichtlich Ende 1996 verliert. Ein kleines Firmenschild „Hamburger Entsorgungsgesellschaft mbH“ (HEG), eine „separate“ Telefonnummer und zunächst mal gerade „vier bis sechs Mitarbeiter“. So klein und nicht einmal besonders fein will die Stadtreinigung gemeinsam mit dem privaten Müllkutscher „Dörner“ in die Schlacht um den Gewerbeabfall ziehen.

Zwar wird der Aufsichsrat der Stadtreinigung sich erst am 4. Dezember offiziell mit der entsprechenden Vorlage befassen. Doch seit dem 26. Oktober akquirieren Dörner und die Stadtreinigung bereits Kunden für ihr gemeinsames Gewerbemüll-Baby.

Anlaß der städtisch-privaten Müllehe sind die Vorboten einer tiefgreifenden Umgestaltung des Abfallmarktes: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz – es tritt voraussichtlich Ende 1996 in Kraft – nimmt der Stadtreinigung das bisherige Monopol auf Restmüll im Gewerbebereich. Betriebe können sich dann den billigsten Müllkutscher selbst aussuchen.

Kein Wunder, daß die Stadtreinigung um ihr angestammtes Reservat von 200.000 bis 300.000 jährlicher Tonnen Gewerbemüll zittert. Erschrocken mußten die städtischen Müllmänner feststellen, daß die private Konkurrenz längst handelt. Dies gelingt mit einem Trick: Private Firmen, die sich eigentlich nur um Wertstoffe wie Pappe, Glas etc. kümmern dürften, bieten „Entsorgung aus einer Hand“ und definieren den Restmüll frech in „Abfall zur Verwertung“ um. Der umgetaufte Restmüll wird anschließend auf kleine Dorfdeponien im Osten gekarrt, den sogenannten „Bürgermeisterkippen“.

Ziel ist es, die Abwanderung zu stoppen und ebenfalls „Entsorgung aus einer Hand“ zu bieten. Pfiffig geht die neue Müllfirma auch die Kostenfrage an. Die HEG wird eine reine Müllakquisitions-Gesellschaft sein. So kann sie Müll jenseits der städtischen Gebührenordnung organisieren.

Das wunderschöne Deutsch der Aufsichtsratsvorlage für den 4. Dezember lenkt das Auge auf den Kern: „Es ist zweifelsfrei nicht möglich, gegen den Markt Materialströme in einer Preissenke aufzuhalten. Es ist aber notwendig, daß die Stadtreinigung über diese Ströme und ihre Fließgeschwindigkeit gut informiert ist, um auch kurzfristig reagieren zu können. Dies setzt voraus, daß wir über eine Tochtergesellschaft zusammen mit einem kompetenten Partner an diesem Geschäft teilnehmen.“

Um der privaten Konkurrenz das Wasser vor der Preissenke abzugraben, soll die Hamburger Entsorgungsgesellschaft selbst zunächst extrem knapp kalkulieren und die Gewerbetreibenden billig von ihrem Dreck befreien. Die „Durchführungsaufgaben“ sollen deshalb erst „später gewinnbringend abgewickelt werden“. Florian Marten