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Aus Berufserfahrung abgelehnt

■ Politischem Flüchtling von der Elfenbeinküste droht die Abschiebung Von Ulrike Winkelmann

„Das Asylbegehren ist eindeutig aussichtslos, da es offensichtlich unbegründet“ ist. Dieser Beschluß des Hamburger Verwaltungsgerichts vom vergangenen Juni läßt keine Fragen offen: Seitdem ist Jean Fadigan zur Abschiebung freigegeben. Der Jurastudent von der Elfenbeinküste war im November 1993 eingereist und wurde auf einem Flüchtlingsschiff im Hamburger Hafen untergebracht. Bereits im Februar 1994 hatte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL) sein Asylgesuch abgelehnt. Die Klage, die Fadigan dagegen einreichte, blieb erfolglos. Nun endet Jean Fadigans Duldung am 21. Dezember; dann muß er bei der Ausländerbehörde erneut um eine Verlängerung seines Aufenthalts bitten.

„Ich riskiere mein Leben“, sagt er. „Wenn ich zurück muß, werden sie mich wieder einsperren.“ Fadigan war in der Elfenbeinküste (Cote d'Ivoire) Mitglied der FESCI, der größten oppositionellen Studierenden-Organisation. Bei einer Demonstration gegen schlechte Studienbedingungen im Februar 1992 wurde Fadigan verhaftet. Ohne Verfahren und Außenkontakte wurde er im Knast festgehalten, bis er im Oktober 1993 mit Hilfe von Beziehungen über Ghana mit dem Schiff nach Hamburg flüchten konnte. Laut amnesty international sterben in den Gefängnissen der Elfenbeinküste viele Insassen an Seuchen und anderen Folgen der Haft.

Das BAFL glaubte Fadigan nicht. Zum einen sei die Elfenbeinküste ein „demokratischer Rechtsstaat“, wie das Auswärtige Amt bestätige. Zum anderen sei der Vortrag Fadigans „unglaubhaft“. Angeblich, begründet das Bundesamt seine Zweifel, werde eine weitgehend ähnliche Geschichte von einer Vielzahl ivorischer Flüchtlinge vorgetragen; sein eigenes Schicksal soll Fadigan großenteils der Presse entnommen haben.

Dieser ist empört: „Die Anhörung war viel zu formal und knapp“, als daß er detailliert oder überzeugend hätte berichten können. Wie das Bundesamt zu seiner Einschätzung kommt, gibt es nicht preis. Thomas Bösenberg, Leiter der Hamburger Zweigstelle, meint dazu, daß „die Einzelentscheider immer aus ihrer Berufserfahrung berichten“ – auf statistisches Material habe er jedoch keinen Zugriff.

In Hamburg engagierte sich Fadigan zunächst auf den Flüchtlingsschiffen für eine Selbstorganisation der BewohnerInnen und war Mitorganisator eines Hungerstreiks im Dezember 1993. Zusammen mit „Solidarität International“, einer weltweit arbeitenden Hilfsorganisation, nahm er am diesjährigen sozialistischen Pfingstjugendtreffen teil. „Er ist ein politisch aktiver Mensch – und das nicht erst seit gestern“, urteilt Rainer Herrmann von „Solidarität International“.

Im kommenden Februar will Fadigan auf dem vom Flüchtlingsrat veranstalteten „Tribunal gegen die Unfreie und Abschiebestadt Hamburg“ als Zeuge aussagen – wenn er dann noch in Hamburg ist.

Ein Treffen von „Solidarität International“ findet heute um 19 Uhr, Haus 3, Hospitalstr. 107, statt

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