: Todt sieht besser aus als Klinsmann
Kurzer Besuch in der ärmsten Township Kapstadts: Vor dem heutigen Länderspiel zeigt der DFB seine Vorzeigekicker vor – worauf Winnie's Ladies Soccer Club von Blond auf Schwarz umsteigt ■ Aus Kapstadt Kordula Doerfler
Die Mädels vom „Winnie's Ladies Soccer Club“ sind aufgeregt. Sehr aufgeregt sogar. Wird er dabeisein oder nicht? „Er wird kommen“, ist die 15jährige Linda überzeugt. „Er muß einfach kommen“, seufzt ihre Mannschaftskollegin Dora. Nervös steigen sie von einem Bein aufs andere. Um kurz vor vier Uhr nachmittags sammelt sich das Mädchenteam, zusammen mit zehn anderen Jugendmannschaften, auf einer hoppeligen Rasenfläche in Khayelithsa, einem der ärmsten Townships von Kapstadt. Wenige Minuten später treffen mehrere VW-Busse im „Khayelithsa Stadion“ ein.
Endlich Gewißheit: Er kommt. Jürgen Klinsmann (30), Kapitän der deutschen Nationalelf, kommt in die Township, um mit schwarzen südafrikanischen Jugendlichen und Straßenkindern ein Training abzuhalten. Vier andere Halbgötter aus der deutschen Mannschaft hat er dabei (Möller, Wörns., Bobic, Todt), außerdem den Trainer Berti Vogts und den Torwart-Veteranen Sepp Maier. „Nie hätte ich mir das träumen lassen“, sagt Linda. Zur Feier des Tages dürfen an diesem Mittwoch alle ihre Trikots anziehen – und richtige Turnschuhe. Normalerweise spielen sie barfuß, und die Trikots rücken die Trainer nur für besondere Gelegenheiten heraus. Immerhin rund 40 Mark kostet eine Fußballkluft. Das ist ein halbes Vermögen für die Township-Kids und muß deshalb jahrelang halten.
Fußball ist in Südafrika der schwarze Sport schlechthin und hat in den Townships enormen Stellenwert. Die Vereine sind meist arm, staatliche Unterstützung gab es im Apartheid-Staat nicht. Um die Jugendlichen in den Townships rund um Kapstadt zu fördern, hat deshalb das Sportinstitut der „Universität“ von Western Cape ein Entwicklungsprogramm gestartet und auch das Zusammentreffen mit den Helden aus Deutschland organisiert.
Für die stand vor allem Sightseeing auf dem Programm, plus ein paarmal Training, um sich an den südafrikanischen Sommer und die neuen Gesichter zu gewöhnen. Bis kurz vor Abflug hatte es für den Bundestrainer die erwarteten Absagen von insgesamt neun Spielern gehagelt: So werden heute der Rostocker Schneider, der Bremer Bode, der Stuttarter Haber mitmachen müssen. Von südafrikanischer Seite wurde der Personalwirrwarr aufmerksam verfolgt und ausführlich in den Zeitungen berichtet: Mit jeder Absage, so glaubt man, steigen die Chancen des eigenen Teams. Denn für Südafrika ist das Spiel tatsächlich ein sportliches Großereignis. Jahrzehntelang vom internationalen Sport ausgeschlossen, übt man derzeit mühsam seine Rückkehr in die Welt und betrachtet das Spiel als Test für den im Januar beginnenden Africa-Cup, der erstmals in Südafrika stattfindet.
Daß beim Freundschaftsspiel heute abend die eigenen Chancen als gut eingeschätzt werden, ist nur ein weiterer Indikator für die jahrzehntelange Isolation. Andererseits: Hat man nicht bei der Rugby- Weltmeisterschaft im Juni gezeigt, daß man durchaus zur Weltspitze gehört? Für den DFB indessen ist der Ausflug in den Süden vor allem gute Publicity – abgesehen davon, daß er allein an den Fernsehübertragungsrechten rund 2 Millionen Mark verdient. Ganz nebenbei gibt es allerdings ein wichtiges Thema zu klären. Südafrika möchte sich auch für die WM im Jahr 2006 bewerben und gilt als ernsthafter Konkurrent für Deutschland. Könnte man die Südafrikaner nicht doch dazu bewegen, sich erst für 2010 zu bewerben? Mercedes- Chef Jürgen Schrempp, ein großer Südafrika-Freund, wird heute abend eigens einfliegen und schnell wieder ausfliegen – um den vom Konzern gesponserten DFB moralisch zu unterstützen. Was er sonst noch will, darüber spricht man nicht öffentlich. Aufenthalte im „neuen Südafrika“ machen sich immer gut – und werden politisch so richtig korrekt, wenn man sich auch noch ins Township wagt. Selbst Klinsmann, der auf seinen Bildungsreisen schon dreimal in Südafrika war, hat so etwas bisher nur im Vorbeifahren gesehen.
Eine Stunde lang üben die DFB-Kicker mit den südafrikanischen Jugendlichen. Irgendwann legt sich bei den Kids die Aufregung. Auch die langen Gesichter der Mädels vom „Winnie's Ladies Soccer Club“ sind verschwunden, obwohl sich nicht, wie ersehnt, von Klinsmann trainiert werden. Statt dessen müssen sie mit dem Freiburger Nachrücker Jens Todt vorliebnehmen. Doch hinterher sind sie so begeistert, daß sie ihm die Aufnahme in ihr Team anbieten. Außerdem, da sind sich die Mädels plötzlich einig, „sieht er sowieso viel besser aus als Klinsmann“.
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