„Wir müssen sie erschießen“

■ Boris Jelzin kandidiert für die Präsidentschaftswahlen und stößt wilde Drohungen gegen die tschetschenische Guerilla aus. KP-Führer Sjuganow will ebenfalls Präsident werden

Jekaterinenburg (AFP/AP/rtr/taz) – Rußlands Präsident Boris Jelzin will es noch einmal wissen: Er kandidiert für die Präsidentschaftswahlen am 16. Juni. Zugleich kündigte er gestern in seiner Heimatstadt Jekaterinenburg an, er wolle den Krieg in Tschetschenien bis zur Wahl beenden. Jelzin forderte die tschetschenische Guerilla auf, ihre „Rädelsführer“ den russischen Behörden zu übergeben. „Wir müssen sie erschießen“, fügte Jelzin hinzu. Dabei nannte er den abgesetzten tschetschenischen Präsidenten Dudajew sowie die Chefs der beiden Geiselnehmerkommandos von Budjonnowsk und Pjerwomaiskoje, Bassajew und Radujew, beim Namen. In Grosny begannen unterdessen russische Truppen mit der Sprengung des ausgebombten Präsidentenpalastes. Er gilt als Symbol für den tschetschenischen Widerstandskampfes.

„Ich bin sicher, daß ich das Land durch Probleme, Sorgen und Unsicherheit führen kann“, sagte Jelzin zur Begründung seiner Kandidatur. Indirekt kritisierte er den politischen Kurs von KP-Chef Gennadi Sjuganow. „Es gibt keine politischen Gefangenen mehr in diesem Land, die Leute reisen, die Grenzen sind offen.“

Die Bewerbung Jelzins war trotz seiner Gesundheitsprobleme erwartet worden. Er habe viele schlaflose Näche zugebracht, ob der Kurs marktwirtschaftlicher Reformen richtig gewesen sei, so Jelzin. Aber jede Alternative könne zu Diktatur oder Bürgerkrieg führen. Zugleich kritisierte Jelzin Verteidigungsminister Gratschow, mit dessen Reformen bei den Streitkräften er nicht zufrieden sei – ein Zeichen dafür, daß Jelzin nach einer Wiederwahl Gratschow zum Sündenbock für das Tschetschenien-Desaster machen könnte. Jelzins Publikum, geladene Gäste und Funktionäre, nahm seine Rede weitgehend ungerührt auf, der Applaus blieb spärlich.

Die Kommunistische Partei Rußlands hat gestern Parteichef Gennadi Sjuganow als ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen aufgestellt. Die rund 600 Delegierten votierten einstimmig für den 51jährigen. Im Tenor der Reden klang immer wieder durch, daß die KP allein Jelzin nicht besiegen könne: „Wir müssen nach Verbündeten von links und rechts schauen und einen Kandidaten unterstützen“, sagte Pjotr Romanow von der KP. In der jüngsten Umfrage liegt der 65jährige Jelzin abgeschlagen hinter Sjuganow und dem Rechtsradikalen Wladimir Schirinowski auf Platz drei. klh Seiten 3 und 10