: Lautern hat den Kanzler und St. Pauli nicht gewonnen
■ 0:0 auf dem Betzenberg: Ein Punkt für St. Pauli gegen den Abstieg, doch zwei weitere wären drin gewesen
Im Presseraum des Fritz-Walter-Stadions hingen vor dem Spiel die frisch entwickelten Fotos aus Bonn. „Schalke hat den Papst, wir haben den Kanzler!“ frohlockte FCK-Präsident Norbert Thines. Doch die überflüssige Idee, am Morgen vor dem Spiel Bundeskanzler Helmut Kohl zum Ehrenmitglied des 1. FC Kaiserslautern zu ernennen, konnte dreizehn lahme Teufel gegen den FC St. Pauli nicht beflügeln. Vom unsportlichsten Pfälzer aller Zeiten, der so gut wie nie auf den Betzenberg kommt, haben die abstiegsbedrohten Kicker in Rot nur das Aussitzen gelernt.
So waren denn auch Uli Maslos Worte nach dem Spiel eher untertrieben, als er mit Rücksicht auf seinen Freund und Kollegen Friedel Rausch davon sprach, Kaiserslautern sei „nicht eine Hausnummer, um dort zu punkten.“ Auseinandergenommen hatten Maslos Kicker das auf viel Sand gebaute höchste Haus der Pfalz – und hatten am Ende mehr Grund, den zwei vergebenen Punkten nachzutrauern als sich über den einen errungenen zu freuen.
Während Lauterns Spielmacher Arilson nämlich auf Länderspieleinsatz weilte und im argentinischen Tandil beim 4:1 gegen Bolivien brillierte, überließ der teuflische Rest dem Aufsteiger aus dem Norden das Mittelfeld und tauchte nur selten vor dem Tor von Klaus Thomforde auf. Einzig Sturmspitze Pavel Kuka, der auf dem miserablen Boden verstolperte, und Defensiv-Kraft Günter Schäfer, der den Ball nicht voll traf, sorgten zweimal für die Andeutung von Gefahr.
St. Pauli hatte derweil allein in der ersten Halbzeit sechs gute Chancen, um in Führung zu gehen. Dreimal war Martin Driller daran beteiligt, bis er in der 33. Minute verletzt gegen Christian Springer ausgetauscht werden mußte: In der 12. Minute zielte er knapp am Tor vorbei, wenig später ging sein Kopfball drüber. Kurz vor Drillers Auswechselung schließlich lenkte FCK-Torhüter Andreas Reinke einen erneuten Kopfstoß seines einstigen Mitspielers zur Ecke.
Das gellende Pfeifkonzert zur Pause galt allein dem Gastgeber, und der mitfühlende Stadionsprecher legte die passende CD auf: Don't bring me down von den Beatles.
Kurz schien das Flehen gen Fußballhimmel erhört zu werden: Nachdem Thomas Riedl für den katastrophalen Pele Wollitz gekommen war, geriet der FC St. Pauli eine Viertelstunde lang unter Druck. Doch den Hausherren spielte nicht nur der Boden einen Streich, sie hatten auch noch Pech, als Martin Wagner in der 52. Minute nur den Pfosten traf.
Danach war's vorbei mit der Pfälzer Herrlichkeit, und der starke Michel Dinzey setzte Dariusz Szubert und Youri Savitchev immer wieder gefährlich in Szene. Als Reinke zweimal in höchster Not für seine unzuverlässigen Vordermänner klären mußte, rochen die St. Pauli-Fans, daß drei Punkte möglich waren und skandierten Auswärtssieg! Nicht ohne Wirkung: Kurz vor Schluß rannte Savitchev allein in Richtung Tor, scheiterte jedoch abermals an Reinke. Zum Schluß gab es Pfiffe und Buhrufe für die Lauterer, während im Gästeblock noch ausgiebig gefeiert wurde.
Passend zum Fazit des Abends: Der 1. FCK hat zwar den Kanzler, aber St. Pauli eine Mannschaft mit Zukunft.
Günter Rohrbacher-List
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen