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Die Neugier des Vermittelns

■ 40 Jahrgänge der Literaturzeitschrift „die horen“ werden heute gefeiert

Der vierzigste Jahrgang ist abgeschlossen, mehrere Generationen deutscher Gegenwartsliteratur gingen ins Land und wurden, wenn sie gut waren, zu neuen Klassikern – und die horen gibt es immer noch, und in guter Verfassung, vier Mal im Jahr ein immer neues Forum für Literaturen von hier und überall.

Gegründet wurde die Literaturzeitschrift, deren Name die griechischen Göttinnen der Jahreszeiten meint, vor vierzig Jahren von Kurt Morawietz in Hannover, und mannigfaltig sind die Schilderungen manufaktureller Herstellung in den ersten Jahren.

Bis 1994 leitete Morawietz die Zeitschrift, dann folgte ihm Johann P. Tammen als Herausgeber.

„Der Übergang bedeutete keinen Bruch“, erzählt dieser glaubwürdig. Schließlich ist er selbst schon seit 27 Jahren „dabei“. „Ich kam 1969/70 zu den horen und bin am Ausbau der Zeitschrift beteiligt gewesen. Wir hatten ein streitbares, freundschaftliches Nebeneinander in wechselseitiger Befruchtung.“

Seit Anfang der 70er Jahre wurde das Arbeiten im Team für das Blatt immer wichtiger. „Das war seitdem ein Vorteil der horen: hier konnten sich unterschiedliche Temperamente in kritischer Freundschaft reiben.“ Die modernen Kommunikationsmittel machen heute Teamarbeit möglich, obwohl sowohl die Mitglieder der Redaktion, als auch die des Beirats, in alle Himmelsrichtungen verstreut, in Hannover, Tübingen, Köln, Berlin oder Serralongue in Frankreich wohnen und der Verlag in Bremerhaven sitzt.

Namen wie Wolfgang Hegewald, Gert Heidenreich, Uwe Herms oder Uwe Kolbe vereint der Beirat heute, und längst ist es überhaupt kein Problem, Texte auch von den Größen einzufordern, die man sich im Blatt wünschen würde. „Wir sind ja nicht unter dem Dach eines belletristischen Verlags“, erklärt Tammen, „wir sind bei einem Wirtschaftsverlag beheimatet, und das hat viele Vorteile: Hier gibt es keine Einmischungen ins Redaktionsgeschäft, hier gibt es keine inhaltlichen Zwänge.“

Allenfalls Finanzzwänge gibt es – wie bei allen Literaturzeitschriften. „Die Finanzen sind tatsächlich unser Dilemma“, so Tammen. „Es gibt ja die Minusstrecke aller aufgegebenen Literaturzeitschriften nach 1945. Das ist auch für uns ein permanenter Alltagskampf.“ Dabei haben die horen mit einer Auflage von 5500 Stück und fast 2700 Abonnenten eine Obergrenze des Literaturbetriebs erreicht. „Ohne die glücklicherweise traditionell gewährte Förderung aus Hannover müßten wir eine mindestens doppelt so hohe Auflage haben. Das ist natürlich illusorisch.“

Seine Leidenschaft sei es, die Vielstimmigkeit von Literatur zu erleben und zu vermitteln. „Optimismus läßt zumindest den 50. Jahrgang in greifbare Nähe rücken, auch wenn es, realistischer gesehen, schwierig werden könnte. Doch das ist einfach nicht unsere Haltung“, meint Tammen, der heute Abend im Literaturhaus mit der Vorstellung des schönen Jubiläums–Bandes und Lesungen von Wolfgang Hegewald und Franz Hodjak erst einmal eher das Erreichte feiern, als sich Sorgen machen will.

Thomas Plaichinger

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