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„Das Vertrauen in die Fusion schwindet“

■ Der amtierende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg (42), droht damit, seinen Mitgliedern am 5. Mai ein Nein zur Fusion zu empfehlen

taz: Herr Schönberg, die DGB- Landesbezirkskonferenz hat 1994 beschlossen, das „politische Ziel“ einer Fusion von Berlin und Brandenburg zu unterstützen. Will die GdP jetzt davon abweichen?

Eberhard Schönberg: Nicht unbedingt. Unser Problem ist, daß alle Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes innerhalb des DGB, also die ÖTV, die GEW und wir, mit Berlin und Brandenburg über einen Kooperationsvertrag verhandeln. Derzeit stecken die Gespräche in der Sackgasse. Da kann es passieren, daß wir im April bei der Abstimmung zur Länderehe unseren Mitgliedern empfehlen könnten, nein zur Fusion zu sagen.

Woran hakt es denn Ihrer Meinung nach?

Zum einen geht es um die hundertprozentige Tarifangleichung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Brandenburg. Die Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften sind ja kürzlich an dieser Frage ergebnislos in Stuttgart abgebrochen worden.

Aber Berlins Regierender Eberhard Diepgen (CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) haben versprochen, in einem gemeinsamen Land Berlin-Brandenburg auch gleiche Tarife zu zahlen.

Mündliche Versprechungen sind das eine. Im Staatsvertrag heißt es ja, es solle zu keinen „fusionsbedingten Kündigungen“ kommen. Dieser Begriff muß nicht nur präzise gefaßt werden. Wir wollen auch wissen, wie lange die Zusage gilt, es solle im öffentlichen Dienst kein Arbeitsplatz wegen der Fusion wegfallen.

Die Berliner Polizei hat ja neben den 20.000 Polizeibeamten rund 8.000 Angestellte und Arbeiter, die möglicherweise doch fusionsbedingt gekündigt werden könnten. Hier ist Rechtssicherheit notwenig.

Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) hat angekündigt, Berliner Polizeibeamte müßten damit rechnen, nach der Fusion außerhalb der Stadt zu arbeiten.

Herr Schönbohm ist ja vor kurzem auf unserer Gewerkschaftsveranstaltung, an der rund 400 Kollegen teilgenommen haben, ausgepfiffen worden, als er die Frage nach den Versetzungen nicht klar beantworten konnte. Ich kann doch nicht von einem Polizisten mit der Besoldungsgruppe A8 und rund 3.000 Mark brutto im Monat automatisch erwarten, daß er über die Fusion in Jubel ausbricht und freiwillig ein Opfer bringt! Die Sorgen muß ich doch ernst nehmen.

Wie viele Berliner Polizisten müßten denn in Brandenburg arbeiten?

Das kann keiner genau sagen. Herr Schönbohm spricht mal von 5, mal von 15 Prozent.

Ist das denn keinem Beamten zuzumuten, in Berlin zu leben und in Potsdam zu arbeiten?

Natürlich ist das zumutbar. Schon nach der Vereinigung sind ja Polizisten innerhalb von Berlin von Spandau nach Marzahn versetzt worden. Aber ich kann eine solche Umsetzung doch nicht anordnen. Wir wollen eine sozialverträgliche Lösung. Beispielsweise müssen ältere Kollegen von einer Versetzung ausgenommen werden.

Glauben Sie denn noch, daß am 5. Mai das Quorum von 25 Prozent Jastimmen aller Wahlberechtigten zustande kommt?

Da bin ich pessimistisch. In Brandenburg ist die Stimmung noch schlechter als hier. Die Fusion erscheint vielen als Chefsache von Diepgen und Stolpe. Das Vertrauen in die Fusion, auch unter vielen Polizisten, schwindet. Interview: Severin Weiland

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