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CDU wählt grünen Bürgermeister von Kreuzberg

■ Grün-schwarzes Zweckbündnis verhilft Christdemokraten zum Wunschressort

Berlin (taz) – Berlins berüchtigter Bezirk Kreuzberg hat endlich einen neuen Bürgermeister: Und zwar einen Bündnisgrünen, der sich mit den Stimmen der CDU in sein neues Amt wählen ließ. Fast fünf Monate nach der Wahl im Oktober vergangenen Jahres, bei der die Grünen mit 31,3 Prozent stärkste Partei in dem Bezirk wurden, zieht nun der 47jährige Physiker Franz Schulz ins Kreuzberger Rathaus ein.

Der Auftakt für ein schwarz- grünes Bündnis ist die Wahl allerdings nicht. Nachdem die monatelangen Verhandlungen mit der SPD zu keinem Ergebnis geführt hatten, schlossen sich Grüne und CDU zu einem reinen Zweckbündnis zusammen. Schließlich hatten Kreuzbergs Sozialdemokraten erst Ende Februar die zuvor mit den Grünen ausgehandelte Ressortverteilung als „Mißverständnis“ in Frage gestellt. Den Grünen riß der Geduldsfaden. Immerhin hatten sie im Vorfeld schon weitgehende Zugeständnisse gemacht. Auf den Druck der SPD hatten sie ihre Spitzenkandidatin und Baustadträtin Erika Romberg (39) zurückgezogen, was zu einer innerparteilichen Zerreißprobe führte.

Für die Kreuzberger CDU, die eigentlich keine großen Sympathien für die Grünen hegt, war das Wahlbündnis die Chance, doch noch ihr Wunschressort Wirtschaft und Finanzen zu besetzen. Dieses wäre bei einem rot-grünen Wahlbündnis an die SPD gefallen. Im fünfköpfigen Bezirksamt, das den Stadtteil verwaltet, stellen die Grünen und die CDU künftig je zwei Stadträte, die SPD einen.

Für erhebliche Irritation sorgte vor der Wahl des Bezirksamtes ein anonymes Fax, in dem der CDU- Kandidat Matthias Stefke der Nähe zu den Republikanern bezichtigt wurde. Bei dem Fax, das am Dienstag bei der SPD einging, handelt es sich um das Protokoll einer CDU-Kreisvorstandssitzung von 1992. Danach hatte Stefke anläßlich der damaligen Wahl des Bezirksamtes gefordert, nicht nur mit SPD und Grünen, sondern auch mit den Republikanern zu verhandeln.

Die Grünen, die am Dienstag nachmittag von dem Fax erfuhren, „hatten keine Zeit, das ausgiebig zu diskutieren“, erklärte die Kreuzberger Grüne Barbara Oesterheld gestern. Erkundigungen über den CDU-Mann hätten nicht bestätigt, daß er rechtslastig sei. Dennoch konnten die Vorbehalte nicht völlig ausgeräumt werden. Stefke soll künftig einen Teil des Bauressorts übernehmen. Während Bürgermeister Franz Schulz gestern von einer „Schmutzkampagne“ gegen Stefke sprach, sagte Oesterheld: „Wenn die Vorwürfe stimmen, ist es hart für uns.“ Dorothee Winden

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