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Pioniere der Vereinigung

taz-Serie zur Fusion: Grenzkonflikte zwischen Berlin und Brandenburg werden seit Anfang des Jahres von einer Gemeinsamen Landesplanungsgruppe entschärft. Kooperation statt Konkurrenz  ■ Von Barbara Junge

In den alten Fabrikhallen auf dem ehemaligen Borsig-Gelände im Bezirk Reinickendorf plant die Herlitz-AG ein Konsumparadies auf 22.000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Zeitgleich entwirft die Gemeinde Hennigsdorf nur wenige Kilometer nördlich ein neues Ortszentrum mit 10.000 Quadratmetern Boutiquen, Supermärkten und was der KäuferInnen Herz sonst noch begehrt. Um die Ebbe im Gemeindesäckel abzuwenden, herrscht zwischen den Nachbarn Konkurrenz statt Kooperation: Die beiden Projekte werben sich gegenseitig die Investoren ab, und genügend KundInnen gibt es in der Region für zwei große Einkaufszentren erst recht nicht.

Während Eberhard Diepgen und Manfred Stolpe Hand in Hand in die gemeinsame Zukunft von Berlin und Brandenburg marschieren, stolpern die Bezirke und Gemeinden der Länder von einem Interessenkonflikt in den nächsten. Aber so allmälich dämmert die Einsicht: Weder Brandenburg noch Berlin können dabei gewinnen. Ob der Flughafen nun auf die grüne Wiese nach Sperenberg kommt oder in Schönefeld aufs teure Berliner Pflaster gebaut wird; ob Berlin unbedingt in Karow-Nord einen neuen Stadtteil erfinden muß oder die Bernauer Öde stärker bevölkert werden soll: Keine der Seiten will auf Steuereinnahmen und Investitionen aus solchen Projekten verzichten, und die eigentlichen Gewinner sind dabei meist nur die Investoren. Sie können die Gemeinden gegeneinander ausspielen: Die Preise diktieren und sich dann die günstigsten Bedingungen für ihre Projekte aussuchen.

Deshalb versuchen es die Länder jetzt auch mal mit Zusammenarbeit. Im Januar dieses Jahr ging die Gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg an den Start. Sie entwirft seitdem schon vor einer Entscheidung über die Länderehe im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin und das Ministerium für Umweltschutz und Raumordnung in Brandenburg Leitbilder für die Region Berlin-Brandenburg. Die Planungsabteilung mit Sitz in Potsdam hat sich zum Ziel gesetzt, Berlin-Brandenburg zu einer modernen Metropolenregion zu erheben. „Wir wollen die Fehler der Vergangenheit nicht mehr wiederholen“, faßt Ulrich Stark, Mitarbeiter der Planungsgruppe für den Bereich Berlin, das Anliegen der Abteilung zusammen, „keine Einkaufszentren auf der Grünen Wiese wie in Eiche und in Dalgow“.

Das Modell, das die Schiedsrichter aus Potsdam für Berlin- Brandenburg entworfen haben, soll der Entwicklung in anderen Metropolen entgegenwirken: Berlin soll nicht, wie zum Beispiel Paris, an den Rändern wuchern, Ghettos bilden und die grünen Flecken am Stadtrand auffressen. Statt auf den Speckgürtel rund um Berlin setzt der Leiter der Gruppe, Gerd Gebhard, auf kleine Entwicklungsgebiete in der Nähe der Stadt. Regionale Zentren sollen entlang der Bahnstrecken entstehen und gefördert werden. Krankenhäuser, Hochschulen, Wohnsiedlungen und auch Einkaufzentren erhalten einen Zuschlag nur in den ausgewählten Städten Brandenburgs. Im Westen gehören Nauen und Potsdam zu den Privilegierten. Ludwigsfelde und Fürstenwalde im Süden und im Nordosten Strausberg, Bernau und Oranienburg stehen auf der Liste (siehe auch die Grafik). Gebhard: „Brandenburg soll so etwas werden wie eine größere Ausgabe der Berliner Konzeption. Lauter kleine selbständige Unterzentren wie die Bezirke in der Stadt.“

Die Herlitz-AG hat keine guten Karten – das Borsig-Projekt würde die Entwicklung der maroden Hennigsdorfer Wirtschaft bremsen, und erstmals haben die Potsdamer PlanerInnen deshalb einem Berliner Projekt ein Raumordnungsverfahren auferlegt. Die beiden Ministerien müssen prüfen, ob das Herlitz-Einkaufzentrum überhaupt nötig ist oder eher der gesamten Region schadet. Das Projekt im Bezirk Reinickendorf, befand die Gemeinsame Landesplanung, „hat überörtlichen Charakter“.

Die Instrumente der Landesplanungsgruppe sind beschränkt, aber wirkungsvoll, so Stark. Sie stellt Rahmenplanungen für die Länder auf, bestimmt, wo gesiedelt werden darf, welche Straßen das Land verkraftet und welches Naturgebiet erhalten werden muß. Die Vorgaben sind bindend und vor Gericht einklagbar. Deshalb muß jeder Bebauungsplan in Berlin und Brandenburg auf Unbedenklichkeit für die Entwicklung der Region und des Umweltschutzes überprüft werden.

Auf dem Prüfstand stehen auch Großprojekte wie der geplante Flughafen und die Trasse des Transrapids. Bei den Großprojekten allerdings hat die die Aufsichtsabteilung nur kleine Eingriffsmöglichkeiten. Sie kann nicht Vorgaben machen, sondern nur die Einhaltung von Vorgaben des Bundes überwachen. Ob es den Transrapid gibt oder nicht, darüber entscheiden allein die Betreiber, ob die Planungsabteilung ihn nun für unbedenklich hält oder nicht. Nur wo und wann, dabei haben die Schiedsrichter ein Wörtchen mitzureden.

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